Automobilindustrie

    Beschäftigungseffekte der Transformation

    Die Umstellung auf Elektromobilität wird Arbeitsplätze kosten. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen werden hierbei getroffen. Wie die Politik entgegensteuern kann.

    Die Umstellung auf Elektromobilität wird Arbeitsplätze kosten. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen werden hierbei getroffen. Wie die Politik entgegensteuern kann.

    Beschäftigungsverluste zu erwarten

    Hintergrund

    Für die Erreichung der Klimaziele bringen die Automobilhersteller immer mehr Elektrofahrzeuge auf die Straße. Dies führt zu Beschäftigungsverlusten nicht nur in der Automobilindustrie.

    Überblick

    Alle Studien, die die Beschäftigungseffekte der Transformation quantifizieren, kommen zu dem Ergebnis, dass die Elektrifizierung der Neuwagenflotte zu erheblichen Beschäftigungsverlusten in der Automobilindustrie, aber auch in anderen Branchen führen wird. Besonders hart wird es dabei die automobilen Zulieferunternehmen treffen. Die Politik sollte versuchen, diese Beschäftigungsverluste zu minimieren. Beispielsweise sollte sie die Umschulungs- und Weiterbildungsangebote der Unternehmen unterstützen. Auch sollte sie die beschäftigungspolitischen Chancen erkennen, die in der Nutzung von CO₂-freien Electrofuels (E-Fuels) liegen. Natürlich liegt es auch auf der Hand, dass die derzeit diskutierte Verschärfung des Reduktionsziels für 2030 eine noch höhere Elektroquote der Neufahrzeugflotte erfordern und die Beschäftigungsverluste damit noch vergrößern würde.

    Beschäftigungsverluste werden unvermeidbar sein

    Die Automobilindustrie bekennt sich vorbehaltlos zum Ziel der Klimaneutralität 2050. Für die Erreichung dieses Ziels stehen verschiedene Technologien zur Verfügung. Um das CO₂-Zwischenziel 2030 (−37,5 Prozent im Vergleich zu 2020) zu erreichen, ist auf der Zeitachse die Anwendung des batterieelektrischen Antriebs prioritär. Parallel werden Wasserstoff und E-Fuels als weitere Antriebssäulen aufgebaut.

    Allerdings wird die Umstellung auf den batterieelektrischen Antrieb erhebliche Beschäftigungsverluste zur Folge haben. Zu diesem Ergebnis kommen alle Studien, die in den letzten Jahren hierzu erschienen sind. Eine entsprechende Studie des BMWi aus dem Jahr 2019 („Automobile Wertschöpfung 2030/2050“; Roland Berger et al.) beziffert den Beschäftigungsverlust bei einer 80-prozentigen Elektrifizierung der produzierten Pkw auf 170.000 Beschäftigte alleine in der Automobilindustrie (Hersteller und Zulieferer). Das entspräche einem Beschäftigungsabbau von mehr als 18 Prozent der im Jahr 2017 in der Automobilindustrie Beschäftigten. Dies gilt sogar unter der Berücksichtigung, dass die Elektrifizierung des Antriebsstranges auch wieder neue Beschäftigung aufbaut, zum Beispiel für den Zusammenbau der elektrischen Komponenten und ihre Integration in das Fahrzeug.

    Zu den Beschäftigungsverlusten in der Automobilindustrie kommen noch mal Verluste in den der Automobilindustrie vor- und nachgelagerten Branchen hinzu. Zum Beispiel geht Beschäftigung verloren in den der Automobilindustrie vorgelagerten Branchen Metallerzeugnisse, Gummi- und Kunststoffwaren oder Gießereierzeugnisse. Zudem geht Beschäftigung verloren im Aftermarket, das heißt zum Beispiel bei Autowerkstätten, weil der elektrische Antriebsstrang aus weniger Komponenten besteht als der konventionelle und insofern auch weniger wartungsintensiv ist. In Summe geht die BMWi-Studie hier von weiteren Verlusten in Höhe von 300.000 Beschäftigten in den vor- und nachgelagerten Branchen aus.

    Die Beschäftigungsverluste, die durch die Elektrifizierung des Antriebsstranges entstehen, haben zwei Gründe: Erstens sind in einem Elektromotor wesentlich weniger Teile verbaut und müssen entsprechend weniger miteinander integriert werden als in einem Kolbenmotor (Kolben, Ventile, Zahnräder, Einspritzsysteme, Dichtungsringe etc.). Zweitens wird beim batterieelektrischen Antrieb ein gewichtiger Teil der Wertschöpfung außerhalb der EU erbracht, nämlich in Asien. Dies ist zumindest bei der Batteriezellfertigung der Fall, die bis heute noch vollständig im Ausland erbracht wird. Allerdings sind deutsche Automobilhersteller gerade dabei, eine eigene heimische Batteriezellproduktion aufzubauen.

    Wie kann die Politik gegensteuern?

    Dass wir bis zum Jahr 2050 in der EU und in Deutschland Klimaneutralität anstreben, ist eine gesamtgesellschaftliche Entscheidung und ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Insofern muss die Politik auch ihren Beitrag dazu leisten, dass die einzelnen Akteure ihr Ziel erreichen können. Zudem muss sie Sorge dafür tragen, dass die entstehenden Beschäftigungswirkungen möglichst sozialverträglich sind, das heißt:

    • Die Beschäftigungsverluste sollten möglichst klein bleiben.
    • Die Zwischenziele für die Senkung der CO₂-Emisionen, die die Politik auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050 setzt, müssen so gestaltet sein, dass ein möglichst großer Teil des Beschäftigungsabbaus nicht über Entlassungen erfolgen muss, sondern über die demografische Entwicklung der Arbeitnehmerschaft aufgefangen werden kann (Ausscheiden in den Ruhestand). Dies sollte auch bei der aktuellen Diskussion auf EU-Ebene um eine mögliche Verschärfung der 2030er-Flottengrenzwerte im Rahmen des Green Deal berücksichtigt werden. Zu ambitionierte CO₂-Einsparvorgaben begrenzen die Möglichkeiten der Unternehmen, die Alterung und Verrentung ihrer Belegschaft für die Transformation zu nutzen, und erhöhen die Gefahr von Entlassungen.       
    • Für die Beschäftigten in der Automobilindustrie, deren Arbeitsplatz durch die Elektrifizierung der Mobilität bedroht ist, muss die Politik Umschulungs- und Weiterbildungsangebote der Unternehmen unterstützen, damit die Unternehmen möglichst viele ihrer erfahrenen, bewährten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der neu entstehenden Produktion von Komponenten für die Elektromobilität einsetzen können.
    • Die Politik sollte die beschäftigungspolitischen Chancen erkennen, die in der Nutzung von E-Fuels liegen. Mit ihnen ist die Erreichung der Klimaziele möglich, auch ohne die Beschäftigungsverluste durch die Elektrifizierung des Antriebsstranges (Kolbenmotor kann weiter genutzt werden). Darüber hinaus käme noch ein Beschäftigungsaufbau in der Power-to-X-Branche hinzu (Elektrolyseure, Umwandlungsanlagen, CO₂-Abscheider).
    Beschäftigungsvolumen in Deutschland bei unterschiedlichen Anteilen des Elektroantriebs an den produzierten Pkw
    Fachgebiet Wirtschaftspolitik & Steuern

    Dr. Volker Schott

    Referent Gesamtwirtschaftliche Konjunktur, volkswirtschaftliche Analysen

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