Innovationsplattform rund um die Transformation der Mobilität

    24. Technischer Kongress

    Beim Technischen Kongress in Berlin standen Technologien im Fokus, die die klimafreundliche Mobilität und Digitalisierung weiter vorantreiben. Batterierecycling und Autonomes Fahren waren dabei zwei Schwerpunkte.

    Beim Technischen Kongress in Berlin standen Technologien im Fokus, die die klimafreundliche Mobilität und Digitalisierung weiter vorantreiben. Batterierecycling und Autonomes Fahren waren dabei zwei Schwerpunkte.

    Am 28. und 29. März 2023 hatte der VDA zum Technischen Kongress ins Congress Center am Berliner Alexanderplatz geladen. Die 24. Ausgabe des Branchentreffens für Vertreterinnen und Vertreter aus Automobilindustrie, Politik und Wissenschaft stand unter dem Motto „Innovativ. Digital. Nachhaltig.“.

    Gemeinsam mit Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, hatte VDA-Präsidentin Hildegard Müller die Veranstaltung eröffnet. In ihrer Rede (Video der Eröffnungsrede) betonte sie:

    Porträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard Müller
    Ohne Frage: Die Digitalisierung der Fahrzeuge und des Verkehrs kann einen extrem wichtigen Beitrag leisten, um klimaneutrale Mobilität zu erreichen und birgt darüber hinaus riesige Chancen für Wachstum, Nachhaltigkeit und Verkehrssicherheit. Um diese Potentiale tatsächlich zu heben, müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen.
    Hildegard MüllerVDA-Präsidentin
    VDA-Präsidentin Hildegard Müller bei ihrer Eröffnungsrede ©VDA/CHLietzmann

    Mehr als 400 Entscheiderinnen und Entscheider, Fach- und Führungskräfte sowie 52 Rednerinnen und Redner nahmen an der Veranstaltung teil. Unter den hochrangigen Gästen waren auch Dr. Anjes Tjarks, Senatorin für Verkehr und Mobilitätswende der Freien und Hansestadt Hamburg, und Prof. Dr. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer Gesellschaft.

    Dr. Volker Wissing hielt in seiner Rede ein Plädoyer für einen technologieoffenen Ansatz bei der Transformation der Mobilität und sprach über seinen Einsatz für klimaneutrale synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) im Zuge der Diskussion um das Verbrenner-Aus in Brüssel: Nur vielfältige Logistik- und Mobilitätslösungen würden ein Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die nachhaltige Mobilität schaffen, so der Tenor Bundesministers für Digitales und Verkehr.

    Ein Highlight des Programms: die Rede von Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing ©VDA/CHLietzmann

    Das inhaltliche Programm des TK haben maßgeblich die Kolleginnen und Kollegen des VDA-Geschäftsbereichs Produkt & Wertschöpfung konzipiert und verantwortet. Betreut wurden die Veranstaltungsvorbereitungen durch das VDA-Veranstaltungsteam und VDA-Geschäftsführer Dr. Marcus Bollig. Der betont:

    Das Besondere am Technischen Kongress ist, dass wir die gesamte Komplexität der Automobilindustrie in einer Veranstaltung erleben können. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird eine Vielzahl heraufordernder technologischer und interdisziplinärer Themen präsentiert, die die hohe Vernetzung des Automobils widerspiegeln. Dadurch können all ihre Aspekte diskutiert werden.
    Dr. Marcus BolligVDA-Geschäftsführer Produkt & Wertschöpfung
    Dr. Marcus Bollig und Univ.-Prof. Dr. Katharina Hölzle (Fraunhofer IAO) im Gespräch ©VDA/CHLietzmann

    Plattform zum Netzwerken und Erfahrungsaustausch

    Zwei zentrale Fragen zogen sich als roter Faden durch die rund 50 Keynotes und Diskussionsrunden: Wie kann die Transformation zur klimaneutralen und digitalen Mobilität gelingen? Und welche Chancen und Herausforderungen sind besonders in den Bereichen Klimapolitik und Digitalisierung auf diesem Weg entscheidend?

    Hauptteil des Programms waren 15 Themensessions, in denen die Teilnehmenden verschiedene Schwerpunkte wie klimaneutrale Antriebe, Halbleiter-Knappheit in Europa, Datennutzung und IT-Sicherheit sowie vernetzter autonomer Transport diskutierten.

    Die auf dem TK besprochene Fülle der Themen verdeutlicht: Das Ausmaß der Aufgaben, die für das Erreichen der klimaneutralen Mobilität entscheidend sind, und denen sich die Hersteller, Zulieferer, Start-ups und Akteurinnen und Akteure aus Politik und Wissenschaft bereits heute stellen, ist immens. Und sie geben uns einen Ausblick darauf, welche Veränderungen durch neue Produkte, Services und Verkehrsmittel für unsere Gesellschaft und Wirtschaft zukünftig eine zentrale Rolle spielen werden.

    Aber wie kann das konkret aussehen? Zwei Beispiele, die auf dem TK vorgestellt wurden:

    1. Vernetzter Transport: Mit dem autonomen Shuttle durch die City

    Fakt ist: Autonomes Fahren und die damit verbundenen (Kommunikations-)technologien und Fahrzeugfunktionen werden sich in den nächsten Jahren äußerst dynamisch entwickeln. Marco Kollmeier, Geschäftsführer & CEO der HOLON GmbH, veranschaulichte das beeindruckend in seiner Keynote am Beispiel des Kleinbusses „Mover“.

    Die Entwicklung des Fahrzeugs basiert auf der Plattformtechnologie „Benteler Electronic Drive System“. Mit dieser Art Prototyp baut HOLON, eine Tochterfirma von Benteler, seit einigen Jahren gemeinsam mit Partnern vollständige elektrifizierte Fahrzeuge. Bei den Projekten übernimmt HOLON die Fahrzeugentwicklung und Gesamtfertigung, während Partner und Lieferanten bestimmte Systeme und Teile wie Batterien oder Lenkungen liefern, die integriert werden.

    „Der Bau eines Autos ist mit immer mit hohen Investitionen verbunden. Wir haben den Vorteil, dass uns mit unseren Lieferanten eine lange Zusammenarbeit verbindet und wir uns gut kennen. Denn es geht im Wesentlichen darum, dass man Zugang zu Systemen, Produkten und Komponenten hat,“ erklärt Marco Kollmeier.

    Zum Einsatz kommen sollen die barrierefreien Shuttles für bis zu 15 Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr. Genau hier liegt laut Marco Kollmeier eine ihrer Erfolgschancen: „Die Mover können eine Lösung für viele heutige Mobilitätsprobleme in Großstädten sein. Sie sind so konzipiert, dass sie in engen Innenstadtstraßen problemlos vorankommen, also dort, wo größere Fahrzeuge und Gelenkbusse nicht hinkommen.“ Zusätzlich herrscht in belebten Quartieren größerer Städte eine hohe Servicedichte. Das bedeutet, dass sich viele Menschen eine Tür-zu-Tür Beförderung On-Demand (auf Deutsch: auf Abruf, Bestellung) wünschen. „Und diese Fahrten sollten möglichst komfortabel und attraktiv sein. Deshalb ist es unsere Mission, autonome Fahrzeuge zu entwickeln, die sich bei Qualität, Leistung und Preis in dem Segment befinden, wo Menschen heute ihr persönliches Fahrzeug erwarten,“ so Kollmeier.

    Wie autonomes Fahren praktisch aussehen kann, erklärt Marco Kollmeier von HOLON ©VDA/CHLietzmann

    Wann werden wir also in die ersten Mover einsteigen können?

    Nach Schätzungen des Unternehmens werden im Jahr 2040 weltweit etwa 570.000 Einheiten pro Jahr benötigt. Bis es so weit ist, sind jedoch noch einige regulatorische Schritte nötig. Zum Beispiel die Zulassung.

    Mit dem Ziel, die batterieelektrischen Mini-Personentransporter auf die Straße zu bringen, verwirklicht HOLON in Zusammenarbeit mit der Stadt Hamburg in diesem und kommenden Jahr ein Vorserienprojekt. Ein regulatorischer Vorteil ist, dass in Deutschland bereits das Fahren in Level 4, also der Vorstufe zum autonomen Fahren, bei der das Fahrzeug den überwiegenden Teil seiner Fahrt selbständig navigiert, gesetzlich erlaubt ist. „Hamburg ist praktisch unser Use Case. Gemeinsam wollen wir die Homologierung des Mover erarbeiten. Das bedeutet, dass er alle Qualitätskriterien eines vollwertigen Fahrzeugs und die Gesetzeslage für Level 4 erfüllt.“

    „Entscheidend ist der Mix aus Technik, Betreiber und Regulatorik“

    In der Praxis sieht das so aus, dass Kollmeier und sein Team gemeinsam mit den Hamburger Fachleuten unter realen Bedingungen alle wichtigen Schnittstellen identifizieren, die für das Funktionieren des Mobilitätsdienstes im öffentlichen Straßenbild nötig sind. Im nächsten Schritt ermitteln sie, welche Voraussetzungen für das Level 4 noch fehlen und optimieren dahingehend die Funktionen. „Entscheidend ist der Mix aus Technik, Betreiber und Regulatorik – wenn es irgendwo Stolpersteine gibt, müssen wir diese gemeinsam beseitigen. Rückblickend bin ich von der Entwicklung in den letzten drei Jahren absolut beeindruckend und deshalb sicher, dass sich das Projekt sehr gut entwickelt“ – so Kollmeiers Resümee. Wenn das Testprojekt erfolgreich abschließt, hält es Kollmeier für möglich, dass der Mover in den Jahren 2025 oder 2026 für das autonome Fahren zugelassen wird.

    2. Kreislaufwirtschaft: Batterierecycling stärkt Nachhaltigkeit

    Im Modell der Kreislaufwirtschaft (Englisch: „Circular Economy“) liegt ein enormes Potenzial für den Klimaschutz und einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen. Voraussetzung dafür sind neue Recycling-Verfahren, mit denen kritische Rohstoffe komplett und effizienter wiederverwertet werden können. Darüber hinaus eröffnet die Circular Economy einem im Vergleich eher rohstoffarmen Land wie Deutschland die Möglichkeit, unabhängiger von Importen und globalen Lieferketten zu sein.

    Im Hinblick auf den Hochlauf der Elektromobilität ist die Frage spannend, wie ausgediente Batterien aus Elektroautos recycelt und die Rohstoffe wieder nutzbar gemacht werden können. Sarah Fleischer, CEO & Co-Founder des Münchener Start-ups tozero GmbH, sprach auf dem TK über das Potenzial von Batterierecycling. Ihre Firma hat sich auf das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien spezialisiert und steht damit am letzten Punkt der Circular Economy. „Wir nehmen die ausgedienten geschredderten Lithium-Ionen-Batterien an, genannt Black Mass, und trennen die wertvollen kritischen Rohstoffe Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan und Grafit. Als frisches Material geben wir die Rohstoffe dann wieder zurück in den Kreislauf“, erklärt Sarah Fleischer.

    Batterierecycling hat enormes Potenzial, sagt Sarah Fleischer von tozero ©VDA/CHLietzmann

    Erst schreddern, dann zurück in den Kreislauf

    Obwohl auch noch Schritte zu gehen sind, bis sich Elektromobilität in der Breite durchgesetzt hat, muss schon heute in Europa reichlich Batterieschrott recycelt werden. Dieser entsteht in den Gigafabriken für Batterien als Produktionsausschuss, durch Testfahrzeuge von OEMs und die ersten E-Modelle, die seit einigen Jahren auf den Straßen unterwegs sind. Hinzukommt, dass die Anzahl der Elektroautos auf unseren Straßen stetig zunimmt, voraussichtlich ab dem Jahr 2030 exponentiell. Sarah Fleischer geht davon aus, dass in den nächsten sieben Jahren in Europa mehr als eine Million Tonnen Lithium-Ionen-Batterieabfälle anfallen werden, die danach ebenfalls exponentiell ansteigen werden.

    Standortvorteile für Unternehmen wie tozero bringt auch die europäische Gesetzeslage: Denn die Europäische Kommission schreibt in der Batterie-Richtlinie vor, dass OEMs und Batteriehersteller ihre Batterien vor Ort in Europa recyceln müssen. Zusätzlich werden die Batteriehersteller bald dazu verpflichtet, dass ein bestimmter Anteil neuer Batterien aus dem Recycling stammt. „Die erforderliche Recycling-Rückgewinnungsrate für beispielsweise Kobalt und Nickel sollen auf mindestens 95 Prozent im Jahr 2030 steigen. Bei Lithium liegen die Quoten bei mindestens 80 Prozent“, sagt Sarah Fleischer.

    Aktuell befindet sich das Start-up in der Skalierung zur Industrialisierung und führt mehrere Pilotprojekte durch. Sarah Fleischer und ihr Münchner Team suchen weitere Partner für industrielle Projekte. Technisches Know-how zum nachhaltigen Batterie-Recycling ist also in Europa vorhanden. Um die in den nächsten Jahren auftretenden Recyclingmengen abdecken zu können, sollte die Politik ein Hochskalieren dieser neuen Verfahren im industriellen Maßstab mit Nachdruck verfolgen.

    Globale Lösungsansätze sind beim Klimaschutz gefragt

    „Politik, Industrie und Gesellschaft müssen gemeinsam entschlossen daran arbeiten, dass Deutschland als führender Standort für Transformationstechnologien den Klimaschutz global voranbringt", sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Denn klar ist: Nur mit den richtigen Rahmenbedingungen können die Unternehmen der Automobilbranche auf lange Sicht weltweit führende Innovationen entwickeln und auf den Markt bringen, die zum Erreichen der Klimaschutzziele beitragen.

    Gerne vormerken: Auch im nächsten Jahr bietet der Technische Kongress in Berlin eine einmalige Plattform zum Netzwerken und Erfahrungsaustausch, und zwar am 20. und 21. Februar 2024.

    Impressionen von der Fachveranstaltung

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    Fragen zum Technischen Kongress? Ihre Ansprechpersonen:

    Veranstaltungen

    Tineke Geywitz

    Leiterin des Fachgebiets

    Cybersecurity & Wirtschaftsschutz

    Martin Lorenz

    Abteilungsleiter und Fachgebietsleiter

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