Jahrestag der Invasion
Ukraine: Ein Jahr Krieg und die Folgen
Der russische Angriffskrieg hat unermessliches Leid verursacht, politische und wirtschaftliche Strukturen ins Wanken gebracht. Die deutsche Automobilindustrie steht entschlossen hinter den Sanktionen gegen den Aggressor. Gleichzeitig sind die Auswirkungen des Krieges mit Herausforderungen verbunden.
Der russische Angriffskrieg hat unermessliches Leid verursacht, politische und wirtschaftliche Strukturen ins Wanken gebracht. Die deutsche Automobilindustrie steht entschlossen hinter den Sanktionen gegen den Aggressor. Gleichzeitig sind die Auswirkungen des Krieges mit Herausforderungen verbunden.
Seit dem 24. Februar 2022 wütet ein furchtbarer Krieg im Herzen von Europa, der in seiner Sinnlosigkeit und Brutalität nicht zu begreifen ist. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und das damit verbundene Leid vieler Menschen erschüttern die Welt, politische und wirtschaftliche Strukturen sind ins Wanken geraten. Auch für die deutsche Automobilindustrie hatte und hat der Krieg in der Ukraine teils einschneidende Auswirkungen. Ein Über- und Ausblick:
Abriss von Lieferketten
Der Beginn des Kriegs war gleichbedeutend mit einer Unterbrechung, teilweise auch mit dem Abriss von Logistik- und Lieferketten. Deutlich wurde das etwa durch das Fehlen von Kabelbäumen, für die die Ukraine einer der europaweit wichtigsten Produzenten sind. Auch verschiedene Vorprodukte und Rohstoffe wie etwa Neongas, das für die Herstellung von Halbleitern essentiell ist, wurden knapp. Die Rohstoffmärkte begaben sich auf eine Achterbahnfahrt. In Konsequenz führte der Mangel an Teilen und Rohstoffen teilweise auch zu einem Stillstand der Bänder, die Produktion in Deutschland brach im März 2022 im Vorjahresvergleich um 30 Prozent ein.
Heute hat sich die Lage zumindest teilweise entspannt. Das liegt zum einen an einer Diversifizierung der Lieferketten. Zum anderen aber auch daran, dass erfreulicherweise Strukturen in der Ukraine wieder benutzt werden können. So wurde beispielsweise die Produktion mit Kabelbäumen in der Westukraine im Sommer 2022 wieder aufgenommen. Seit Mai 2022 liegen die Werte der Pkw-Produktion in Deutschland durchgängig über dem Vorjahresvergleich.
Versorgungssicherheit mit Gas und Strom
Und auch die Versorgungssicherheit mit Gas und Strom ist zumindest aktuell vollumfänglich gegeben. Nach großer Unsicherheit und Turbulenzen nach Kriegsbeginn auf den Märkten ist die Situation momentan stabil. Zu Beginn des vergangenen Jahres war Russland EU-weit noch für knapp 40 Prozent des importierten Gases verantwortlich - mittlerweile hat sich diese Menge drastisch reduziert (November 2022: 12,9 Prozent).
Deutschland selbst bezieht seit dem Liefer-Stopp durch die Pipeline Nord Stream 1 im September vergangenen Jahres kein Gas mehr aus Russland. Die wichtigsten Bezugsquellen sind stattdessen Norwegen, die Niederlande und Belgien. Deutsche Gasspeicher sind aktuell (Stand: Februar 2023) zu über 70 Prozent gefüllt. Auch die Industrie hat mit zahlreichen Maßnahmen einen Beitrag dazu geleistet, den Gasverbrauch deutlich zu verringern. So lag dieser im Januar 2023 etwa um ein Fünftel niedriger als im Vorjahr.
Nichtsdestotrotz haben die Kostensteigerungen für Strom und Gas für erhebliche Beanspruchungen der Industrie gesorgt und langfristige Planungen und Investitionen massiv erschwert. So gaben in einer im Januar durchgeführten Umfrage des VDA unter Zulieferern und Herstellern von Aufbauten und Bussen 82 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie die gestiegenen Strompreise stark oder gar sehr stark belasten würden.
Belastungen sorgen für Investitions-Stopp
Dabei benötigt die Automobilbranche gerade angesichts des so zukunftsweisenden wie investitionsintensiven Transformationsprozesses stabile Rahmenbedingungen. Dass diese in vielerlei Hinsicht nicht gegeben sind, war ohnehin offensichtlich: Deutsche Unternehmen haben gerade im internationalen Vergleich mit überbordender Bürokratie, hohen Steuerbelastungen und einem Mangel an Arbeits- und Fachkräften zu kämpfen.
Mit dem Ausbruch des Kriegs und noch einmal drastisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen hat sich die Situation knapper Energie und Rohstoffe in Deutschland noch einmal dramatisch verschlechtert. In erwähnter Umfrage halten rund neun von zehn Unternehmen den Standort Deutschland in Bezug auf Energiekosten, Arbeitskräfte und Steuerbelastung international für nicht wettbewerbsfähig. Als Konsequenz kündigten 28 Prozent der Unternehmen eine Verlagerung von Investitionen ins Ausland, 14 Prozent gar eine Streichung von Investitionen an. Ein alarmierendes Zeichen.
Unter dem Strich wurden zwar erste Herausforderungen erfolgreich genommen – viele Herausforderungen aber bleiben. Ein schnelles Kriegsende scheint leider weiter nicht in Sicht, die sicherheitspolitische Lage ist angespannt, so sehen sich Unternehmen auch mit einer zunehmenden Bedrohung durch Cyber-Angriffe konfrontiert. Der nächste Winter und damit auch die neuerliche Frage nach einer stabilen und bezahlbaren Energieversorgungslage wird kommen.
Auch die Bedeutung von wirtschaftlicher Unabhängigkeit und diversifizierten Lieferketten hat der russische Angriffskrieg offen gelegt. Der Abschluss weiterer Rohstoff-, Handels- und Energiepartnerschaften nimmt jedoch zu wenig Tempo auf – dabei könnten insbesondere Abkommen mit Ländern Afrikas und Lateinamerikas neue Perspektiven bieten.
Starker Standort für demokratische Werte
Umso wichtiger ist ein entschlossenes Handeln der Politik. Der Krieg stellt die ohnehin schon durch die Pandemie und die Transformation angestrengte Industrie vor neuerliche Herausforderungen. Und das in einer Zeit, in der die Zukunft vieler Unternehmen eng an die schnelle Umsetzung und das Gelingen eines Transformationsprozesses gekoppelt ist. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, zügig für Entlastungen und Planungssicherheit zu sorgen – nicht nur für die Industrie, sondern für die gesamte Gesellschaft. Denn Europa kann nur als starker Wirtschaftsstandort zukunftsfähige Weltpolitik gestalten und mit starker Stimme für demokratische Werte eintreten.
Wie diese Werte aussehen, hat die deutsche Automobilindustrie gerade in Zeiten des Krieges deutlich gemacht. Unsere Branche steht – ungeachtet aller wirtschaftlichen Herausforderungen – geschlossen hinter den Sanktionen gegen Russland.
Die von der EU in insgesamt zehn Sanktionspaketen beschlossenen Maßnahmen wurden kurzfristig umgesetzt – deutsche Hersteller und Zulieferer haben im Zuge dessen ihr Russlandgeschäft massiv zurückgefahren, Lieferbeziehungen abgebrochen und Geschäftstätigkeiten aufgegeben. Viele Unternehmen haben darüber hinaus mit hohem Engagement humanitär unterstützt, gespendet und Geflüchtete integriert.
Klar ist: Der Aggressor Russland darf diesen schrecklichen Angriffskrieg nicht gewinnen. Das Leid muss ein Ende haben. Wir stehen weiter an der Seite der Ukraine und unterstützen mit all unserer Kraft und unseren Möglichkeiten.