Mittelstandstag
Automobiler Mittelstand: Fach- und Arbeitskräftemangel, Strompreise und Bürokratie belasten Unternehmen außerordentlich
Pressemitteilung
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Umfrage zeigt: Unternehmen ergreifen vielfältige Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz - VDA-Mittelstandstag in Bonn eröffnet
Der 23. Mittelstandstag des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) wurde heute in Bonn eröffnet. Unter dem Titel der zweitägigen Konferenz: „Risiko und Resilienz: Wertschöpfungsketten auf dem Prüfstand“ geht es thematisch vor allem um die Diversifikation und Stabilisierung automobiler Lieferketten.
„Die Transformation ist für die Automobilindustrie eine große Herausforderung und insbesondere der Mittelstand ist in Zeiten von sich überlagernden und verstärkenden Krisen besonders gefordert. Die Unternehmen treiben den Wandel mit maximaler Entschlossenheit, mit Investitionen und Innovationen voran. Um erfolgreich zu bleiben, ist es entscheidend, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Der internationale Standortwettbewerb ist in einer entscheidenden Phase. Berlin und Brüssel müssen darauf entschiedener reagieren: Nicht mit neuen Regeln und Auflagen, sondern mit konkreten Entlastungen und Vereinfachungen. Ob Energiepreise, Bürokratie, Taxonomie oder eine zielführende Fachkräftepolitik – hier wird Wettbewerbsfähigkeit verspielt", so VDA-Präsidentin Hildegard Müller anlässlich der Eröffnung des Mittelstandstages.
In ihrer Rede in Bonn ging Müller auch auf die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage ein, die der VDA unter den Automobilzulieferern (Herstellergruppe III) sowie den mittelständisch geprägten Herstellern von Anhängern, Aufbauten und Bussen (Herstellergruppe II) durchgeführt hat.
Strompreis weiterhin große Belastung
Gegenüber der letzten Umfrage ist der Anteil der Unternehmen, die unter einem Mangel an Fach- und Arbeitskräften leiden, weiter angestiegen. Dies trifft inzwischen auf 85 Prozent der Unternehmen zu (Februar: 77,6 Prozent). Zudem geben 72 Prozent der Unternehmen an, durch Bürokratie stark oder sehr stark belastet zu sein (Februar: 62 Prozent). Der hohe Strompreis belastet die Unternehmen ausdrücklich: Rund drei von vier Unternehmen (74 Prozent) geben an, stark oder sogar sehr stark durch die hohen Strompreise belastet zu sein (Februar: 82 Prozent). Durch die Gaspreise sind 59 Prozent der Unternehmen stark oder sogar sehr stark herausgefordert (Februar: 73,3 Prozent).
Das zeigt: Die Energiekosten - vor allem der Strompreis – sind weiter eine der zentralen Herausforderungen für die Automobilzulieferindustrie und den automobilen Mittelstand in Deutschland. Müller betont: „Unsere Industrie braucht international wettbewerbsfähige Energiepreise, um die Transformation zu meistern und im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Es ist daher dringend notwendig, dass die Politik mit entsprechenden Entscheidungen und Strategien für günstigere Preise und einen gesicherten Zugang zu Energien sorgt."
7 von 10 Unternehmen (70 Prozent) beurteilen in der Umfrage einen in der Diskussion befindlichen Industriestrompreis als gut für den Standort. Die VDA-Präsidentin hebt hervor: "Bei der Einführung eines Industriestrompreises muss unbedingt auch der industrielle Mittelstand berücksichtigt werden. Der geplante ´Brückenstrompreis´ ist bisher nur für energieintensive Unternehmen vorgesehen, der wichtige industrielle Mittelstand wird dadurch im Wesentlichen außen vor gelassen. Dabei ist gerade dieser Sektor ebenfalls auf wettbewerbsfähige Strompreise angewiesen." Dass dem aktuellen Konzept nach wichtige Transformationsindustrien, wie zum Beispiel Batterie- oder Halbleiterfabriken, von dem Brückenstrompreis profitieren können, sei hingegen positiv zu bewerten, so Müller.
Um die Strompreise zu senken, müssten außerdem umgehend die Stromnebenkosten in den Blick genommen werden. "Die Stromsteuer (2 Ct./kWh) muss auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Ct./kWh abgesenkt werden, die Konzessionsabgaben (1,66 Ct./kWh) sollten gänzlich entfallen", so Müller.
Investitionsverlagerung vor allem in andere EU-Länder und Nordamerika geplant
Die Umfrage zeigt außerdem, dass sich die Investitionsverlagerungen der Unternehmen verfestigen: Wie schon bei der Umfrage im Februar planen laut den aktuellen Umfrageergebnissen 27 Prozent der Unternehmen eine Investitionsverlagerung ins Ausland (September 2022: 22 Prozent). Weitere 5 Prozent planen eine Streichung von Investitionen (Februar 2023: 14 Prozent, September 2022: 9 Prozent). Die Unternehmen mit Verlagerungsabsicht zielen hauptsächlich auf andere Länder in der EU (43 Prozent) sowie auf Nordamerika (30 Prozent). Nachdem im Februar noch immerhin 2 Prozent der Unternehmen angaben, ihre Investitionen in Deutschland – angesichts der aktuellen Lage – erhöhen zu wollen, gab in dieser Umfrage kein Unternehmen mehr an, seine Investitionen in Deutschland erhöhen zu wollen.
"Die aktuellen Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie wichtig ein ambitioniertes Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Standort ist. Die Konkurrenz schläft nicht. Andere Länder wie die USA ziehen Investitionen mit attraktiven Standortbedingungen an. Wenn wir hier international nicht abgehängt werden und Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland und Europa sichern wollen, brauchen wir eine entschlossenere und mutigere Industriepolitik, die ermöglicht, statt zu verhindern: weniger Bürokratie, mehr Handelsabkommen, eine besser abgesicherte Energie- und Rohstoffversorgung, ein konkurrenzfähiges Steuersystem und einfachere und schnelle Genehmigungsverfahren. Nur so können wir auch Leitmarkt für Klimaschutztechnologien werden."
"Wir halten den Laden am Laufen"
Weitere Ergebnisse der aktuellen VDA-Umfrage: Um ihre Resilienz zu erhöhen, haben 69 Prozent der Unternehmen Energieeinsparungen vorgenommen und mehr als jedes zweite Unternehmen (52 Prozent) hat Produktionsprozesse angepasst. Vier von zehn (41 Prozent) der Unternehmen haben Lagerbestände aufgebaut. 36 Prozent haben das Lieferantennetzwerk angepasst, 35 Prozent Anpassungen in der Logistik vorgenommen.
"Die Umfrage verdeutlicht, dass das Thema Resilienz voll beim automobilen Mittelstand angekommen ist. Aufgrund der Herausforderungen der vergangenen Jahre und der mangelnden Verfügbarkeit von Vorprodukten haben sich die Unternehmen verstärkt mit ihrer Widerstandsfähigkeit beschäftigt und haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen, um ihre Resilienz zu erhöhen und den Herausforderungen unserer Zeit bestmöglich begegnen zu können. Auch auf dem diesjährigen VDA-Mittelstandstag ist das Thema Resilienz Dreh- und Angelpunkt, denn der Austausch untereinander und mit den Kunden und Lieferanten zu diesem Thema ist ungeheuer wertvoll", so Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzender des Beirats der KIRCHHOFF Gruppe, VDA-Vizepräsident und Vorsitzender des VDA-Mittelstandskreises.
Kirchhoff weiter: „Der automobile Mittelstand leistet Großes. Etwa jeder sechste Euro (17 Prozent), der in der Automobilindustrie erwirtschaftet wird, stammt von einem mittelständischen Unternehmen. Wir halten den Laden am Laufen. Umso wichtiger ist es, dass die Politik diese Anstrengungen anerkennt und durch die richtigen Rahmenbedingungen unterstützt. Vor allem müssen die Energiekosten kurzfristig und effektiv gesenkt werden, um den Unternehmen Luft zu verschaffen. Das ist gerade für den automobilen Mittelstand immens wichtig."
Die Umfrage wurde vom 15. Mai bis 23. Mai durchgeführt. Es haben sich 128 Unternehmen beteiligt. Damit liegen dem VDA repräsentative Aussagen zur aktuellen Lage und den Perspektiven der Automobilindustrie vor.
Welche Rahmenbedingungen der automobile Mittelstand braucht, hat der VDA jüngst auch in einem Positionspapier verdeutlicht. Das Papier "Jetzt die richtigen Rahmenbedingungen schaffen - Der automobile Mittelstand am Scheideweg" finden Sie hier: VDA-Mittelstandsforum