Umfrage im automobilen Mittelstand
Automobiler Mittelstand blickt pessimistisch auf die aktuelle Lage und das nächste Jahr
Auftragsmangel wird zunehmend zum Problem – Investitionstätigkeit in Deutschland weiterhin schwach – Bürokratieabbau hat oberste Priorität
Für jedes zweite Unternehmen des automobilen Mittelstands in Deutschland (50 Prozent) bleibt der bisherige wirtschaftliche Jahresverlauf hinter den Erwartungen zurück, weitere 19 Prozent sehen ihre ohnehin schlechten Erwartungen bestätigt. Das ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Umfrage, die der VDA unter den Automobilzulieferern (Herstellergruppe III) sowie den mittelständisch geprägten Herstellern von Anhängern, Aufbauten und Bussen (Herstellergruppe II) seit dem Frühjahr 2020 regelmäßig durchführt.* Lediglich 5 Prozent der Unternehmen konnten ihre Erwartungen übertreffen, für ein Viertel der Unternehmen lief es wie erwartet gut.
Auch der Ausblick ist getrübt: Für 2025 erwarten lediglich 17 Prozent der befragten Unternehmen eine Verbesserung gegenüber diesem Jahr. Rund jedes zweite Unternehmen (45 Prozent) geht davon aus, dass die Situation in etwa unverändert bleibt. Und vier von zehn Unternehmen (38 Prozent) nehmen an, dass sich ihre wirtschaftliche Entwicklung sogar verschlechtern wird.
Zum immer größeren Problem für den automobilen Mittelstand wird dabei die Auftragslage, die zwei von drei Unternehmen (65,5 Prozent) als große oder sehr große Herausforderung angeben. Das zeigt: Die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung sowie die aktuell schwache Entwicklung des europäischen Automarkts kommen immer stärker im automobilen Mittelstand an. Die hohen Auftragspolster der Vergangenheit sind endgültig abgearbeitet.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Die Zulieferindustrie und insbesondere die zahlreichen mittelständischen Unternehmen sind ein zentraler Faktor für eine erfolgreiche Transformation der deutschen Automobilindustrie. Doch die schwache Nachfrage in Kombination mit den Standortbedingungen wird gerade für die Unternehmen des industriellen Mittelstands zunehmend toxisch. Umso wichtiger ist jetzt, dass die politischen Rahmenbedingungen sie unterstützen – statt zusätzlich belasten.
Fakt ist: Die Zulieferunternehmen sind mit ihren Produkten international wettbewerbsfähig, der Standort ist es für viele Unternehmen aktuell nicht. Die Politik muss endlich die Ursachen der Probleme angehen. Konkret bedeutet das: Wir benötigen konkurrenzfähige Energiepreise, einen konsequenten Bürokratieabbau, Infrastrukturinvestitionen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sowie internationale Handels- und Rohstoffabkommen, die zeitnah und in großem Umfang abgeschlossen werden müssen.“
Zulieferer seien zudem in letzter Zeit mit deutlich erschwerten Zugängen zu Bankfinanzierungen konfrontiert, so die VDA-Präsidentin weiter. "Banken können die Lage verbessern, wenn sie den Automotive-Sektor differenzierter betrachten. Es gibt viele erfolgreiche Transformationsmodelle bei den Zulieferern", betont Müller.
Investitionsstreichungen auf bislang höchstem Niveau
Die Umfrage zeigt: Die Investitionstätigkeit in Deutschland ist weiter schwach. Angesichts der Geschäftserwartungen halten sich die Unternehmen mit Investitionen zunehmend zurück. Sieben von zehn (69 Prozent) der Unternehmen gaben in unserer Umfrage an, eigentlich geplante Investitionen in Deutschland zu verschieben, zu verlagern oder ganz zu streichen. So plant rund jedes vierte Unternehmen (23 Prozent) eine Investitionsverlagerung ins Ausland – der bisher niedrigste Wert seit Durchführung dieser Umfrage. Bei der letzten Umfrage im Mai 2024 waren es noch 37 Prozent. Die aktuelle Umfrage zeigt: Verlagerungsziele sind Asien, die EU und Nordamerika (in dieser Reihenfolge). Gleichzeitig bewegen sich die Investitionsstreichungen auf dem bislang höchsten Niveau: 19 Prozent der befragten Unternehmen planen eine Streichung von Investitionen. Unverändert gegenüber der letzten Umfrage ist, dass lediglich ein Prozent der Unternehmen angibt, Investitionen in Deutschland angesichts der aktuellen Lage erhöhen zu wollen. Beeinträchtigt wird die Investitionstätigkeit in Deutschland aktuell vor allem durch die aktuelle Absatzlage sowie die Absatzerwartung.
Unternehmen reduzieren Beschäftigung
Weiteres Ergebnis der Umfrage im automobilen Mittelstand: Der Anteil der Unternehmen, die unter einem Mangel an Fach- und Arbeitskräften leiden, ist deutlich gesunken. Aktuell beklagen nur 37 Prozent der Unternehmen diesen Mangel, was eine deutliche Verringerung gegenüber allen vorherigen Umfragen darstellt. Entsprechend ist auch der Anteil der Unternehmen gesunken, die angaben, Schwierigkeiten zu haben, den kurz- und mittelfristigen Fachkräftebedarf zu decken (26 Prozent). Die Zahlen sind ein Alarmzeichen, zeigen sie doch, dass sich die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung, insbesondere in der Industrie, auch auf dem Arbeitsmarkt zeigt.
Mehr als jedes zweite befragte Unternehmen (54 Prozent) gab zudem an, aktuell Beschäftigung in Deutschland abzubauen. 14 Prozent bauen Beschäftigung auf, in 32 Prozent bleiben die Beschäftigungszahlen konstant.
Effizienzsteigerungsprogramme planen 69 Prozent der Unternehmen als Reaktion auf die aktuelle konjunkturelle Situation und die mittelfristige Absatzerwartung. 59 Prozent setzen auf Umstrukturierungsmaßnahmen, 29 Prozent streben eine Diversifizierung in andere Branchen an.
Bürokratieabbau wichtigste Priorität für die neue EU-Kommission
Für die Unternehmen des automobilen Mittelstandes muss der Bürokratieabbau oberste Priorität für die neue EU-Kommission haben, ganze 92 Prozent sehen dies so. Es folgen eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit (63 Prozent) und Erleichterungen bei Berichtspflichten (62 Prozent). Auf den Mittelstand zugeschnittene Förderprogramme sollten aus Sicht von 41 Prozent der Unternehmen einen Schwerpunkt bilden.
*Die Umfrage wurde vom 2. bis 21. Oktober durchgeführt. Es haben sich 145 Unternehmen beteiligt. Damit liegen dem VDA repräsentative Aussagen zur aktuellen Lage und den Perspektiven der Automobilindustrie vor.