VDA-Jahrespressekonferenz 2025
„Mentalitätswandel und wirtschaftspolitischer Politikwechsel notwendig, um Wachstum und Wohlstand zu erhalten und Klimaschutz zu erreichen“
Pressemitteilung
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VDA-Präsidentin Müller fordert umfassende wirtschaftliche Reformen
VDA-Präsidentin Hildegard Müller hat in der Jahrespressekonferenz des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) umfassende Veränderungen und Reformen mit Blick auf die politischen Entscheidungen in Berlin und Brüssel gefordert: „2025 muss ein Jahr des Neustarts sein, um das Jahr der Trendwende zu werden. Das Jahr, das den Beginn eines zwingend notwendigen Mentalitätswandels und Politikwechsels markiert, um den Standort international wieder wettbewerbsfähig zu machen und Wachstum, Klimaschutz, Wohlstand und Arbeitsplätze zu garantieren", so Müller.
„Das Ziel unserer Industrie ist klar: Die weltweit besten digitalen und klimaneutralen Produkte für die Mobilität der Zukunft anzubieten“, machte Müller deutlich und verwies dabei auch auf die einzigartige und beeindruckende globale Reputation der Marken der deutschen Automobilindustrie. „Wenn Wachstum und Wohlstand erhalten bleiben sollen, wenn der Respekt vor unserer Wirtschaftskraft insgesamt wieder größer werden soll, dann braucht es jetzt zwangsläufig eine wirtschaftliche Trendwende: Dafür brauchen wir eine Agenda für Innovation, Wachstum, Bürokratieabbau und Arbeitsplätze. Keine kleinen Schritte, sondern der große Wurf ist notwendig, politisch und ja auch gesellschaftlich – denn dies kann nur gemeinschaftlich gelingen.“
Investitionen der deutschen Autoindustrie wachsen weiter
Mit Blick auf den international zunehmend nicht mehr wettbewerbsfähigen deutschen Standort erklärte Müller: „Es geht darum, wo die Zukunft unserer Industrie zu Hause sein wird. Wir sind fest entschlossen, die Zukunft der Mobilität zu entwickeln und zu exportieren: Allein von 2025 bis 2029 werden unsere Unternehmen rund 320 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Hinzu kommen etwa 220 Milliarden Euro in Sachinvestitionen, insbesondere in die Werke. Die Investitionen der deutschen Automobilindustrie steigern sich damit noch einmal deutlich.“
Alarmierend ist, dass inzwischen der Hauptanteil dieser Investitionen auf Engagements der deutschen Firmen im Ausland zurückzuführen ist: „Diese besorgniserregende Entwicklung ist umso gravierender, wenn man bedenkt, dass rund 70 Prozent der Arbeitsplätze unserer Industrie in Deutschland abhängig vom Export sind. Hier droht ein sehr großes Problem. Mit großen, noch unabsehbaren Folgen, für viele Regionen Deutschlands“, warnte Müller.
Forderungen an Berlin und Brüssel
Der deutsche Standort ist international nicht mehr wettbewerbsfähig, das zeigen alle internationalen Rankings und Datenerhebungen: „In Sachen Standort und Wettbewerbsfähigkeit gibt es also kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, so Müller.
Energiepreise: „Die Gaspreise liegen um den Faktor drei über denen in China und sogar um den Faktor fünf über denen in den USA. Auch der Strompreis liegt in Deutschland derzeit bis zu dreimal höher als z. B. in den USA oder China. Dies ist ein massiver Wettbewerbsnachteil. Eine Reform der Netzentgelte kann dabei nur ein Anfang sein. Für die Steigerung der Stromerzeugung braucht es – neben internationalen Energiepartnerschaften – einen Kapazitätsmarkt, der technologieoffen ausgestaltet ist und auch neuen dezentralen Flexibilitäten wie Speichern und bidirektionalen E-Fahrzeugen offensteht. Strom muss günstiger werden – auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Es muss sichergestellt sein, dass Laden billiger ist als Tanken“, forderte Müller.
Eine strategische Energiepolitik bedeutet auch, jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen – und Wasserstoff wird in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Allerdings leider nicht hierzulande, wenn nicht umgedacht wird, warnte Müller: „Es hilft nicht, Transformation zu fordern und sie dann an kaum erfüllbare Bedingungen zu knüpfen. Auch hier braucht es den notwendigen Mentalitätswandel. Nirgends auf der Welt muss Wasserstoff mit so vielen Auflagen wie bei uns erzeugt werden. Die bisherige Politik verunmöglicht ihre eigenen Forderungen.“
Digitalisierung: „Uns fehlt nicht nur die notwendige Infrastruktur in Deutschland, wir haben zudem auf deutscher und europäischer Ebene zunehmend eine Gesetzgebung, die alles ausdefinieren will, die jeden Einzelfall vorher durchregulieren und jede Konstellation berücksichtigen will. Die Folge: Unsere Unternehmen sind in Deutschland und Europa quasi auf Dauer in Wartestellung, während andere Regionen an uns vorbeiziehen. Es ist ein Wettbewerbsnachteil, alles vorab regulieren zu wollen. Auch hier gilt: Es braucht einen Mentalitätswandel und Politikwechsel.
Wir haben sehr gute Grundlagen auch für die digitalen Geschäftsmodelle der Zukunft. Und zweifellos gilt: KI ist eine Schlüsseltechnologie der Automobilindustrie. Deswegen fordern wir so vehement eine praxistaugliche und innovationsfördernde Umsetzung der jeweiligen Gesetze, insbesondere auch des AI Acts, damit wir unsere solide Grundlage in Sachen KI auch in die breite Anwendung bringen können. Mit Blick auf die vielfältigen Entwicklungen muss die kommende Regierung eine Neuauflage ihrer KI-Strategie entwickeln – und mit konkreten Fördermaßnahmen unterlegen, damit wir ein führender KI-Standort werden können“, so Müller.
Bürokratie und Steuern
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Steuer- und Bürokratiebelastung an der Spitze. Deutschland ist immer nur dann auf einem Podiumsplatz, wenn es um Belastung, Regulierung und Auflagen geht.
„Unsere Unternehmenssteuer ist zu hoch – egal wie die nächste Bundesregierung aussieht, hier muss sie aktiv werden“, so Müller. Weiter: „Wer jetzt noch von Steuererhöhungen oder zusätzlichen Steuerbelastungen spricht, hat die Dramatik nicht verstanden. Das wäre ein völlig falsches Signal und würde dringend benötigte Investitionen sowie den Erhalt von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in Deutschland weiter gefährden. Stattdessen braucht es vielmehr die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, bessere Abschreibungsbedingungen, eine Flexibilisierung der Verlustrechnung und die Einführung einer Investitionsprämie für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung."
Mit Blick auf die zunehmenden bürokratischen Belastungen reicht es nicht, immer nur über Bürokratieabbau zu reden. „Konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch. Es muss umgesetzt werden. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Brüssel – hier entstehen inzwischen die meisten neuen Bürokratiekosten. Bürokratie abzubauen ist wichtig, keine neue aufzubauen, ist genauso wichtig. Es braucht einen stärkeren Fokus auf möglichst unbürokratische Gesetzgebung. Praxischecks und Digitalchecks der Maßnahmen sollten als verpflichtende Elemente der Gesetzgebung sowohl in Berlin als auch in Brüssel eingeführt werden. Und zusätzlich gilt es, mehr Eigenverantwortung zu ermöglichen, durch den Abbau von Berichtspunkten”, so Müller.
Mittelstand in den Fokus nehmen
Gerade der Mittelstand leidet zunehmend unter den bürokratischen Auflagen: „Der Mittelstand – die einzigartige Dichte von Zuliefern – ist ein zentraler Faktor für die Innovationsfähigkeit und stabile Arbeitsplätze unseres Landes. Wenn wir die Zulieferer verlieren, verlieren wir an Innovationskraft. Das gilt beispielsweise gerade auch mit Blick auf die immer schwerer werdenden Finanzierungsbedingungen für mittelständische Unternehmen. Hier ist Berlin gefordert, sich in Brüssel für eine entsprechende Anpassung der EU-Taxonomie und Bankenregulierung einzubringen.
Wie bei allen Themen gilt also auch hier, dass Deutschland eine starke Stimme in Brüssel braucht, um dort für eine bürokratiearme und praxistaugliche europäische Gesetzgebung zu sorgen. Und: EU-Rechtsakte sollten stets nur 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden. Nationale zusätzliche oder vorgeschaltete Gesetzgebung lehnen wir ab”, so Müller.
Mehr EU wagen
Mit Blick auf die geopolitischen Veränderungen und Herausforderungen forderte Müller: „Das Leitmotiv ist ein einfaches: Mehr EU wagen, unsere Wirtschaftsmacht strategisch gemeinsam ausbauen, unsere internationale Relevanz vor dem Hintergrund geopolitischer Veränderungen sichern. Das heißt: Mehr Zusammenarbeit, mehr strategisch ausgerichtete und aufeinander abgestimmte Industrie- und auch Innovationspolitik. Mehr Pragmatismus. Und Geo- und Wirtschaftspolitik zusammendenken. Dabei gilt: Mehr EU heißt nicht mehr Bürokratie und Klein-Klein. Es geht um die großen Fragen”, so Müller. Konkret forderte sie eine europäische Energie- und Kapitalmarktunion, ein Maximum an internationalen Partnerschaften (Handelsabkommen, Rohstoffabkommen, Energiepartnerschaften) und eine Stärkung des europäischen Binnenmarktes.
Zuversicht durch wirtschaftsfreundliche Politik
Müller zeigte sich zuversichtlich, dass die wirtschaftliche Trendwende gelingen kann: „Jetzt muss die Chance ergriffen werden, zurück zu einer wirtschaftsfreundlichen, leistungsorientierten Politik zu finden, die Innovationen ,Made in Germany‘ fördert."
Deutschland verfügt über einen riesigen Schatz an Können und Wissen: „Wir haben die besten Köpfe der Welt in vielen Bereichen, sind bei Patenten und Innovationen vielfach führend. Wir haben die Leidenschaft und Kreativität, die es braucht. Wir haben auch mit Blick auf neue Felder wie KI unendlich viel Potenzial – auch und gerade in Verbindung mit unserer Industrie. Wir wollen diese Chance nutzen – und dafür braucht es jetzt eine politische Entfesselung, in Berlin und in Brüssel", so Müller.
Prognosen 2025 für Markt, Produktion und Export
Im Rahmen der Pressekonferenz gibt VDA-Chefvolkswirt Dr. Manuel Kallweit zudem die wichtigsten Prognosen für das Jahr 2025 bekannt: "Für den deutschen Pkw-Markt rechnen wir 2025 mit einem leichten Anstieg von 1 Prozent auf weiterhin 2,8 Mio. Einheiten. Das ist etwa ein Viertel weniger als im Vorkrisen-Jahr 2019.
Die CO2-Flottenregulierung erfordert auch in Deutschland einen deutlichen Anstieg der Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen. Wir gehen davon aus, dass 2025 etwa 873.000 Elektro-Pkw in Deutschland neu zugelassen werden. Das entspricht im Vergleich mit dem Vorjahr 2024 einem Absatz-Plus in Höhe von 53 Prozent. Wir prognostizieren, dass rein-batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) um etwa 75 Prozent auf 666.000 Einheiten zulegen werden und Plug-In-Hybride (PHEV) um 8 Prozent auf 207.000 Einheiten.
Die Märkte in Europa (EU, EFTA & UK; +2 Prozent; 13,2 Mio. Einheiten) und den USA (+2 Prozent; 16,2 Mio. Einheiten) dürften 2025 aufgrund des nach wie vor niedrigen Marktvolumens etwas stärker wachsen als der chinesische Markt (+1 Prozent; 23,2 Mio. Einheiten).
Bei der Pkw-Inlandsproduktion erwartet der VDA für dieses Jahr nur einen leichten Anstieg (+1 Prozent auf 4,15 Mio. Einheiten). Grund ist unter anderem die gesamtwirtschaftliche Schwäche. Die Auslandsproduktion deutscher Konzernmarken dürfte mit der Fertigung von 9,7 Mio. Pkw um 2 Prozent zulegen.
Eine erfreuliche Entwicklung erwarten wir bei der inländischen Produktion von Elektro-Pkw. Diese dürfte 2025 weiter steigen, nachdem es hier bereits im vergangenen Jahr einen Produktionsrekord gegeben hatte. Wir erwarten für die inländische Produktion von E-Pkw für 2025 ein Plus von 24 Prozent (BEV: +30 Prozent, PHEV: +2 Prozent). Insgesamt dürften damit in diesem Jahr in Deutschland 1,7 Mio. Elektro-Pkw gefertigt werden und Deutschland seine Position als weltweit zweitgrößter Produktionsstandort für E-Pkw festigen.
Bezüglich des Pkw-Exports erwarten wir für das aktuelle Jahr 2025 einen leichten Anstieg um 2 Prozent auf 3,2 Mio. Einheiten. Das entspricht einer Exportquote von 77 Prozent.
Für das Jahr 2025 rechnen wir bei den schweren Nutzfahrzeugen in Europa mit einem Rückgang von etwa 2 Prozent auf 301.000 Einheiten. Für die USA gehen wir von einem Plus von 7 Prozent auf 257.000 Einheiten aus und für China von 3 Prozent auf 929.000 Einheiten.
Mit 1.745 Bussen entfiel im zurückliegenden Jahr nahezu ein Drittel der 5.382 der neu zugelassenen Busse auf alternative Antriebe. Allein 713 Busse (13,2 Prozent) waren rein elektrisch angetrieben. Insgesamt war der Markt um 2 Prozent rückläufig. Für das aktuelle Jahr erwarten wir eine Seitwärtsbewegung (±0 Prozent).
Die Konjunktur in der Anhänger- und Aufbautenindustrie befindet sich bereits seit längerem im Rückwärtsgang. Sowohl die Anhänger insgesamt (-2 Prozent) als auch die schweren Sattelanhänger >6t (-11 Prozent) gingen im vergangenen Jahr deutlich zurück. Das Zulassungsniveau lag damit niedriger als im Jahr 2020, dem konjunkturellen Tiefpunkt der Covid-Pandemie.
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