Freier und fairer Handel als Wohlstandsgarant

    Zunehmend wird in Frage gestellt, inwieweit Freihandel und Globalisierung noch Erfolgsfaktoren für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sind. Aus Sicht der Auto- mobilindustrie waren sie stets Motor und Garant eines nachhaltigen Erfolgs und sind es weiterhin. Trotz des enormen Aufbaus der Auslandsproduktion ist die Exportquote der deutschen Standorte nicht gesunken.

    Zwei Trends werden deutlich:

    • Die deutsche Automobilindustrie ist weltweit erfolgreich, lokalisiert jedoch zunehmend.
    • Ein hoher Anteil der Inlandsproduktion geht weiterhin in den Export, der Marktzugang ist daher ein wichtiger Erfolgsfaktor.

    Der weltweite Erfolg der deutschen Hersteller und Zulieferer zeigt auch, dass sie attraktiv, agil, innovativ und global wettbewerbsfähig sind, aber gleichzeitig die Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa verbessert werden müssen, um die Produktion dort aufrechtzuerhalten. 

    Pkw Produktion In- und Ausland und Exportquote

    Geopolitische Entwicklungen nehmen zunehmend Einfluss auf den Außenhandel und die Handelspolitik

    Der zunehmende Einfluss der Geopolitik und die Verknüpfung des Handels mit anderen wichtigen Themen wie Umwelt oder Menschenrechte bringt zusätzliche Risiken und Herausforderungen. Eine Folge ist die Zunahme von Protektionismus und von unilateralen Maßnahmen sowie die Verknüpfung von Handelsfragen mit Sicherheitsinteressen. Es bilden sich neue Wirtschaftsregionen wie zum Beispiel RCEP, USMCA oder die panafrikanische Freihandelszone AfCFTA, aber gleichzeitig ist eine Tendenz zur Bildung von globalen Wirtschaftsblöcken mit zunehmenden Handelsbarrieren zu sehen.

    Der VDA hat sich auch im Jahr 2023 nachdrücklich für den Ausbau der internationalen Kooperation und den Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen eingesetzt. Die Unternehmen berücksichtigen die geopolitischen Entwicklungen, diversifizieren ihre Lieferketten und adjustieren ihre Risikostrategien wo geboten. Das Denken in Szenarien ist für global tätige Industrieunternehmen selbstverständlich. Für die Automobilindustrie gilt das Primat der Politik. Dabei werben wir weiterhin für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die die gegenseitige Verständigung fördert und den globalen Wohlstand nachhaltig mehren kann. Für das Gelingen der Transformation sowie für die Erreichung der Klimaziele und den Schutz der Umwelt ist die internationale Kooperation unerlässlich.

    Freier und fairer Marktzugang und Freihandelsabkommen mit einem Abbau von tarifären und nicht tarifären Hindernissen sind bei einer von über 75 Prozent essenziell für die Automobilindustrie. Zudem stützen Freihandelsabkommen auch die von der Politik angemahnte Diversifizierung. Es ist somit äußerst problematisch, dass die EU aktuell kaum mehr in der Lage ist, Abkommen mit wichtigen Partnern zu verhandeln und auch abzuschließen.

    Gründe für die Schwierigkeiten beim Abschluss von Freihandelsabkommen sind vor allem die gestiegenen Anforderungen der Politik für den Abschluss von Abkommen im Bereich anderer Ziele wie Umwelt und Nachhaltigkeit.
    Auch wenn diese Ziele von der Automobilindustrie unterstützt werden, sollten sie primär mit alternativen Instrumenten außerhalb von Handelsabkommen verfolgt werden, um die Abkommenspartner nicht mit den Anforderungen der EU zu überlasten und dadurch den Abschluss der Abkommen zu gefährden.

    Zudem werden im Gegenzug zunehmend Zugeständnisse von der EU gefordert, die sich wiederum auf den Marktzugang für die Automobilindustrie auswirken können, wie aktuell beim Abkommen mit dem MERCOSUR, wo die Partner einen langsameren Zollabbau bei Elektromobilen fordern als zuvor verhandelt.

    Wichtige EU-Freihandelsabkommen

    Wichtige Abkommen wie mit Indien oder weiteren ASEAN-Staaten sowie mit MERCOSUR kommen nicht gut voran, für 2023 teilweise avisierte Abschlüsse wie das mit Australien kamen nicht zustande und sind weiterhin nicht absehbar. Über das für die Automobilindustrie ebenfalls wichtige Update des FTA mit Mexiko wurde bereits 2018 grundsätzliche Einigkeit erzielt, seitdem konnte es nicht ratifiziert werden, zunächst wegen der komplexen Prozesse der EU („Splitting“) und aktuell wegen eines Streits um Energiefragen. Ein Lichtblick im vergangenen Jahr war die Ratifizierung des CETA-Abkommens durch die Bundesregierung, für die sich auch der VDA stark gemacht hatte. Allerdings sind die Perspektiven durch die Ablehnung der Ratifizierung durch Frankreich auch hier wieder eingetrübt. Von der Europäischen Kommission erwarten wir insgesamt mehr Pragmatismus bei den Verhandlungen um Freihandelsabkommen und eine Führungsrolle der deutschen Bundesregierung. Hinzu kommt die immer stärkere Tendenz der EU-Handelspolitik, sogenannte unilaterale Instrumente (z. B. CBAM, das Anti-Zwangsmaßnahmen Instrument, die Anti-Entwaldungsrichtlinie oder die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen) einzusetzen. Dies geht zulasten der multilateralen und bilateralen Zusammenarbeit, für die sich die Automobilindustrie immer eingesetzt hat. Ein für die Automobilindustrie besonders relevantes Beispiel für unilaterale Instrumente ist zudem die in 2023 ex officio von der EU-Kommission eingeleitete Antisubventionsuntersuchung gegenüber Importen von BEV aus China.

    Der VDA setzt sich für den freien, fairen und regelbasierten Handel ein, dass betrifft sowohl Exporte als auch Importe aus Drittländern

    Der VDA hat das Verfahren begleitet und deutlich gemacht, dass Antisubventionsmaßnahmen die Herausforderungen für die europäische und deutsche Automobilindustrie nicht lösen. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens werben wir dafür, dass beide Parteien den Dialog intensivieren und Differenzen am Verhandlungstisch beilegen. Die mögliche Anhebung von Zöllen trägt nicht dazu bei, die bestehenden Herausforderungen mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Standorts zu lösen. Zudem ist das Risiko möglicher Gegenreaktionen und eines andauernden bzw. eskalierenden Handelskonfliktes abzuwägen.

    Das globale Umfeld im Handelsbereich ist insbesondere aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine geprägt von Sanktionsmaßnahmen der EU, aber auch der USA sowie weiterer Staaten. So stellen im Bereich der Exportkontrolle insbesondere die umfangreichen Sanktionen der EU gegen Russland die Mitgliedsunternehmen vor Herausforderungen.
    Die deutsche Automobilindustrie verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und unterstützt mit Nachdruck die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Russland. Im Jahr 2023 wurde das Sanktionsregime durch die Sanktionspakete Nr. 10, 11 und 12 noch einmal verschärft. In diesem Umfeld arbeiten die Unternehmen weiterhin mit Hochdruck und mit erheblichem Ressourceneinsatz an der Umsetzung der restriktiven Maßnahmen gegen Russland, um eine vollumfängliche Sanktions-Compliance sicherzustellen.

    Der VDA setzt sich u. a. dafür ein, dass die staatlichen Behörden die Unternehmen noch intensiver bei der Implementierung der RUS-Sanktionen unterstützen

    Insbesondere brauchen die Firmen einen klaren regulatorischen Rahmen (möglichst ohne unbestimmte Rechtsbegriffe), praxisnahe Guidance und eine verstärkte Nutzung von Listungen von (verdächtigen) Organisationen im Rahmen der Sanktionspakete. Durch das Engagement des VDA konnte bspw. beim Importverbot von Produkten aus Drittstaaten mit Anteilen von russischem Stahl erreicht werden, dass auf nationaler und europäischer Ebene praktikablere Regelungen zur Nachweisführung veröffentlicht wurden.

    Hafen HH