Nutzfahrzeuge

    Batterie, Wasserstoff oder Electrofuels?

    Es ist zwar möglich, Nutzfahrzeuge zu elektrifizieren, aber schwieriger als beispielsweise Pkw. Daher lohnt sich ein Blick auf mehrere klimafreundliche Antriebsarten.

    Es ist zwar möglich, Nutzfahrzeuge zu elektrifizieren, aber schwieriger als beispielsweise Pkw. Daher lohnt sich ein Blick auf mehrere klimafreundliche Antriebsarten.

    Nutzfahrzeuge nehmen zentrale Rolle im Erreichen der Klimaziele ein

    Im September 2020 schlug die Kommission im Rahmen des Europäischen Green Deal vor, das Ziel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 auf mindestens 55 Prozent anzuheben. Darüber hinaus sollen die Gesamtemissionen im Verkehrssektor bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent gesenkt werden. 

    Im Bundes-Klimaschutzgesetz sind ehrgeizige nationale Klimaschutzziele für Deutschland sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben vorgegeben. Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sollen im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise gemindert werden. Bis zum Jahr 2030 gilt eine generelle Minderungsquote von mindestens 65 Prozent. Dazu wurden jährliche Minderungsziele durch die Vorgabe von Jahresemissionsmengen für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft festgelegt. Darüber hinaus hat sich Deutschland verpflichtet, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sein.

    Strategie zur Einhaltung zukünftiger CO₂-Grenzwerte

    Die Nutzfahrzeughersteller und -zulieferer bekennen sich zu ihrer Verantwortung, ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele mit neuen Antriebskonzepten zu leisten. Hierfür sind mittel- und langfristig folgende Optionen zu berücksichtigen:

    • Batterieelektrischer Antrieb (vollelektrisch oder hybrid)
    • Wasserstoff in Verbindung mit einer Brennstoffzelle oder Wasserstoffverbrennungsmotor 
    • Einsatz synthetischer und alternativer Kraftstoffe

    Da technologische Entwicklungen nicht vollständig vorhersehbar sind, sollte keine der Technologieoptionen benachteiligt oder vorzeitig ausgeschlossen werden. Allerdings sollte der technologische Fortschritt auch als Indikator dienen, bestimmte Optionen gezielt zu fördern und eventuelle Benachteiligungen gegenüber konventionell betriebenen Nutzfahrzeugen zu vermeiden.

    Da sich die Einsatzzwecke von Nutzfahrzeugen erheblich unterscheiden (leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen für innerstädtische oder stadtnahe Verteilerverkehre und gewerbliche Nutzung im Handwerk, mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge im Verteilerverkehr, im Baugewerbe, im kommunalen Bereich sowie im Fernverkehr), werden auch unterschiedliche Anforderungen an den Antrieb des Fahrzeugs gestellt. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht den geplanten Einsatz verschiedener neuer Antriebstechnologien in zukünftigen Serienfahrzeugen in den einzelnen Segmenten.

    Batterieelektrische Antriebe

    Die Elektromobilität bietet die Möglichkeit, den Güter- und Personentransport emissionsfrei zu gestalten. Leichte Nutzfahrzeuge sind schon heute mit batterieelektrischen Antrieben verfügbar und werden immer öfter im innerstädtischen Verteilerverkehr eingesetzt. Insbesondere mittelschwere Nutzfahrzeuge für den Regional- und Verteilerverkehr werden mittelfristig mit batterieelektrischen Antrieben Transportaufgaben übernehmen. Die Weiterentwicklung heutiger Batterietechnologien wird auch Anwendungen in schweren Nutzfahrzeugen (Lkw/Bus) für den Fernverkehr gestatten. Entsprechende Feldtests sind in Vorbereitung. Es wird derzeit geschätzt, dass bereits bis 2025 in Europa (27 EU-Länder und Vereinigtes Königreich) ungefähr 10.000 mittelschwere Lkw (3,5 bis 16 Tonnen) und 30.000 schwere Lkw (über 16 Tonnen) mit batterieelektrischem Antrieb in Betrieb sein werden.

    Bis 2030 wird die Flotte in Europa auf ungefähr 70.000 mittelschwere und 200.000 schwere batterieelektrische Lkw anwachsen. Dazu sind insbesondere im Fernverkehr Hürden zu überwinden, die sich aus dem Anwendungsprofil des Fahrzeugs sowie einer derzeit vollständig fehlenden Ladeinfrastruktur ergeben. Während das Mehrgewicht der Batterie angesichts der entfallenden Dieselkomponenten in vielen Langstreckenanwendungen unter Ausnutzung gesetzlicher Ruhezeiten für Ladevorgänge moderat ausfällt, ist die fehlende Ladeinfrastruktur die größte Herausforderung für die Implementierung von Elektroantrieben in die Nutzfahrzeugflotte im Langstreckenverkehr.

    Reichweite von 300 Kilometern

    Plug-in-Hybridantriebe sind eine Option, die wichtig ist, um den Weg zu rein batterieelektrischen Antrieben zu ebnen. Sie eignen sich für Einsatzzwecke, bei denen auf herkömmliche Antriebe noch nicht verzichtet werden kann. Hybridantriebe erfüllen in vielen Fällen eine Pilotfunktion und bringen den Aufbau der Ladeinfrastruktur und die technologische Entwicklung von Batterien voran.

    Die Reichweiten von rein elektrisch angetriebenen schweren Nutzfahrzeugen inklusive Omnibussen im Fernverkehr sollten mittelfristig auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen und anspruchsvoller Streckentopografie zuverlässig bei über 300 Kilometern liegen. Die Leistung des elektrischen Antriebs wird sich an heutigen Leistungsdaten von Verbrennungskraftmaschinen orientieren müssen. Um dies sicherzustellen, werden Batterien mit mindestens 400 Kilowattstunden (kWh) nutzbarer Energie nötig sein. Weiter sollte die Batterie innerhalb der Vorgaben zur normalen Lenk- und Ruhezeit des Fahrers aufladbar sein.

    Im Idealfall sollte die Batterie auf rund 80 Prozent innerhalb von 45 Minuten aufgeladen werden können. Dies setzt aber pro Ladepunkt eine Dauerladeleistung von circa 720 Kilowatt (kW) voraus. Durch installierte Ladeleistungen von etwa einem Megawatt (MW) lassen sich Ladeverluste und Nichtlinearitäten kompensieren. Der bestehende CCS-Standard (Combined Charging System, 450 kW) reicht für zukünftige Nutzfahrzeuge im Langstreckenverkehr nicht aus. Dazu sind höhere Ladeleistungen entsprechend dem in Abstimmung befindlichen Megawatt Charging System (MCS) mit theoretisch bis zu 4,5 MW notwendig.

    Fernverkehr

    Sattelzugmaschine mit Sattelauflieger 40 Tonnen/44 Tonnen und Reisebusse

    Reichweite 300 km
    Batterie Energieinhalt 400 kWh
    Ladezeiten während Mindest-Ruhezeit 45 min
    Dauerladeleistung circa 720 kW
    Ladestandard

    500 kW (MCS)

    (in der Anfangsphase auch DC 350 kW (CCS)

    mit Erweiterung auf > 500 kW)

    Ladezeiten im abgestellten Zustand (über Nacht) 3 h
    Ladeleistung 100 kW
    Ladestandard DC < 350 kW (CCS)

    Ausbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben

    Für das Laden elektrifizierter Reisebusse und Lkw im Fernverkehr wird ein flächendeckendes öffentliches Ladenetz an den wichtigsten Verkehrsachsen benötigt. Es sollten mindestens eine Megawatt-Ladestation (DC > 500 kW) mit mindestens vier Ladepunkten alle 100 Kilometer bis zum Jahr 2025 und eine alle 50 Kilometer bis ins Jahr 2030 im deutschen Autobahnnetz und an wichtigen Kraftfahrstraßen vorhanden sein. Für Reisebusse muss davon mindestens ein Ladepunkt pro Standort zugänglich sein.

    Dies gilt es auch beim dringend notwendigen Ausbau der Lkw-Parkplatzkapazitäten zu berücksichtigen. In Deutschland sind im ersten Schritt an circa 260 Standorten insgesamt circa 630 Ladepunkte (DC > 500 kW) notwendig. Bis 2030 wäre für Deutschland bei einer Durchdringung von über 20 Prozent des Bestandes mit batterieelektrischen Nutzfahrzeugen der Ausbau auf über 8.000 Ladepunkte (DC > 500 kW) erforderlich. Der Ausbau muss zügig angegangen werden, damit der Anzahl neu zugelassener elektrisch angetriebener schwerer Nutzfahrzeuge in den kommenden Jahren eine funktionierende Ladeinfrastruktur gegenübersteht. Dafür ist es notwendig, mit dem Aufbau umgehend auf Basis aktuell verfügbarer Standards (beispielsweise CCS mit DC 350 kW) zu beginnen. Dabei sollte zeitnah der Übergang auf höhere Ladeleistungen von 720 kW bis 1 MW erfolgen, sobald der MCS-Standard verfügbar ist.

    Zwischen Ballungsräumen und Güterverteilzentren: Mittelschwere Nutzfahrzeuge

    Mittelschwere Nutzfahrzeuge müssen sich vor allem im lokalen Verteiler- und im Zustellverkehr zwischen Ballungsräumen und Güterverteilzentren bewähren. Da Fahrtrouten kürzer und Nutzlasten geringer sind, können auch die Batterien kleiner ausgelegt werden. 300 kWh für Fahrten von mindestens 200 Kilometern sollten das Maß der Dinge sein. Für den Ladevorgang (80 Prozent) sollte bei einer Ladezeit von maximal einer Stunde eine Ladeleistung von mindestens 250 kW vorhanden sein.

    Auch für das Laden im Verteilerverkehr wird ein breites öffentliches Ladeinfrastrukturnetz benötigt. Dieses kann aber durch Lademöglichkeiten auf Betriebshöfen, an der Rampe von Güterverteilzentren oder auf Rastplätzen ergänzt werden. Dafür ist es notwendig, umgehend auf Basis aktuell verfügbarer Standards (etwa CCS mit 350 kW) mit dem Aufbau zu beginnen. Ein Übergang auf höhere Ladeleistungen von 720 kW bis 1 MW könnte je nach Bedarf vorbereitet werden. Vom Aufbau der Ladeinfrastruktur (DC < 350 kW) für das Depotladen über Nacht profitierten auch Lkw im Fernverkehr.

    Unabdingbar sind in jedem Fall eine zielgerechte Förderung des Ladeinfrastrukturaufbaus in enger Kooperation mit dem Gewerbe (Speditionen, Flottenbetreiber, Omnibusunternehmen) sowie die baldmöglichste Verwendung von Grünstrom.

    Mittelschwere Nutzfahrzeuge  

    Verteilerverkehr

    Reichweite 200 km
    Batterie Energieinhalt bis 300 kWh
    Ladezeiten während Mindest-Ruhezeit 45 min
    Mindestladeleistung > 250 kW
    Ladestandard

    DC 350 kW

    (CCS)(mit optionaler Erweiterung auf MCS > 500 kW)

    Ladezeiten im abgestellten Zustand (über Nacht) > 3 h
    Mindestladeleistung > 100 kW
    Ladestandard DC < 350 kW (CCS)

    Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Strategien

    Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb werden in den nächsten Jahren nur mit entsprechender Steuerung (zum Beispiel Anschaffungsförderung, CO₂-Bepreisung, Mautanpassungen) vergleichbare Kosten wie konventionell angetriebene Nutzfahrzeuge ausweisen. Dies liegt in der teuren Technologie, aber auch in notwendigen Investitionen in die Ladeinfrastruktur begründet.

    Der Aufbau einer bedarfsgerechten DC-Schnellladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge (Lkw/Bus) entlang der deutschen Autobahnen mit Dauerladeleistungen von mindestens 720 kW pro Ladepunkt muss schnellstmöglich angegangen werden. Prioritär sollte der Aufbau an den deutschen Autobahntankstellen und an den Autohöfen erfolgen. Mögliche Umbaumaßnahmen an den Raststätten/Parkplätzen sind rechtzeitig in Angriff zu nehmen. Unabhängig davon müssen in Güterverteilzentren, Logistiklagern, Betriebshöfen und Warenverteilzentren der Unternehmen Ladepunkte bereitgestellt werden. Dazu bedarf es weitreichender Förderprogramme, die sich an den Erfordernissen der Nutzfahrzeugbranche (Lkw/Reisebus) orientieren. Für die hohen Ladeleistungen (über 500 kW) und Ladeströme (1000 Ampere) müssen Normen angepasst und erweitert werden. Hierfür sind internationale Abstimmungen im Gange. Eine Bereitstellung des Belegungsstatus öffentlicher Ladepunkte kann die Routenplanung unterstützen. 

    Betreiber möglichst früh einbinden

    Die Betreiber sollten frühzeitig bei der Festschreibung strukturpolitischer Maßnahmen und möglicher Förderprogramme eingebunden werden. Das betrifft sowohl die Anschaffung der Fahrzeuge als auch die Einrichtung betriebsseitiger Lademöglichkeiten. Die gesamte Förderpolitik sollte langfristig angelegt sein und gleichzeitig Anreize für eine schnelle Flottenumrüstung bieten.

    Betreiber sollten analog den im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) eingesetzten Elektrofahrzeugen eine teilweise Entlastung von der Stromsteuer beziehungsweise eine Entlastung von der EEG-Umlage erhalten.

    Eine weitere Möglichkeit, alternative Antriebe im Nutzfahrzeugbereich zu fördern, stellt eine CO₂-basierte Lkw-Maut dar. Auf diesem Weg können die Mehrkosten für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben reduziert werden.

    Technische Verbesserungsmaßnahmen bei aktuellen Nutzfahrzeugen und deren Anhängern (zum Beispiel aerodynamische Maßnahmen, Leichtlaufreifen oder Ähnliches) sind eine Ergänzung zur Verbesserung der CO₂-Bilanz und sind gleichberechtigt förderfähig zu behandeln. Außerdem sollten neue technologische Ansätze zur CO₂-Minderung (zum Beispiel E-Achse beim Sattelanhänger) durch eine Anpassung der Typgenehmigungs-Gesetzgebung schnellstmöglich zulassungsfähig werden.

    Ansprechpartner

    Dr.-Ing. Sascha Pfeifer

    Leiter Fachgebiet Transportpolitik

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