Wirtschaftspolitik

    Standortfaktor Steuern: Deutschland braucht ein modernes Steuerrecht

    Die deutsche Industrie durchläuft einen herausfordernden und umfassenden Prozess der Transformation. Warum das Steuerrecht reformiert werden muss, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen.

    Die deutsche Industrie durchläuft einen herausfordernden und umfassenden Prozess der Transformation. Warum das Steuerrecht reformiert werden muss, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen.

    Steuerpolitische Entwicklungen und Forderungen des VDA

    Der jahrelange Reformstillstand im Bereich der Unternehmensbesteuerung muss beendet werden. Erste Schritte wurden mit dem Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz unternommen. Eine weitere Modernisierung des Unternehmenssteuerrechts ist jedoch dringend geboten.

    Die deutsche Automobilindustrie ist als exportorientierte Branche (Exportquote 2020 von 73 Prozent) einem besonderen internationalen Wettbewerb ausgesetzt und befindet sich zudem in einem äußerst fordernden Transformationsprozess. Auch die Bewältigung der Folgen der Coronakrise stellt die Unternehmen der Automobilindustrie, gerade im mittelständischen Bereich, vor besondere Herausforderungen. Steuerliche Rahmenbedingungen, die international wettbewerbsfähig sind und Rechts- und Planungssicherheit begründen, sind eine wesentliche Voraussetzung für zukünftige Investitions- und Standortentscheidungen der Unternehmen in Deutschland.

    Damit Deutschland auch in Zukunft ein erfolgreicher Industriestandort mit hoher Beschäftigung bleibt, setzt sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) für eine wachstumsfördernde und international wettbewerbsfähige Steuerpolitik ein.

    Reformstau auflösen und nachhaltige Strukturreformen umsetzen

    Was vor der Krise bereits galt, gilt umso mehr, um die Krise zu meistern: Ein modernes Steuersystem in Deutschland ist ein fundamentaler Baustein, um die Wirtschaft nachhaltig auf den Wachstumspfad zurückzubringen. Hier hat Deutschland erheblichen Nachholbedarf. Gute steuerliche Rahmenbedingungen bringen über die positiven Auswirkungen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung letztlich mehr für alle: mehr Investitionen, mehr Beschäftigung, mehr Innovationen und damit ein insgesamt (wieder) höheres Steueraufkommen.

    Die Steuerpolitik hat zugesehen, wie Deutschland wieder zum Höchststeuerland geworden ist. Deutsche Stammhauskonzerne, die die Automobilindustrie wesentlich ausmachen, sehen sich einer Vielzahl von strukturellen steuerlichen Hemmnissen gegenüber. Daher muss der steuerpolitische Fokus zur Bewältigung der Krisenfolgen und für ein nachhaltiges Wachstum aus der Krise insbesondere auf den folgenden Maßnahmen liegen:

    • Administrative Belastungen abbauen und zusätzliche Compliance-Anforderungen vermeiden

    Bereits bestehende steuerliche Regelungen erdrücken die Unternehmen zum Teil mit administrativen Lasten. Hierzu zählen etwa die Vorgaben der Erklärungspflichten im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung oder Meldepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen. Daher muss vermieden werden, den steuerlichen Compliance-Aufwand noch weiter zu erhöhen.

    • Übermaßbesteuerung bei der Hinzurechnungsbesteuerung beseitigen

    Ein Festhalten an der Niedrigsteuergrenze von 25 Prozent bedeutet, dass fast das gesamte Ausland als Niedrigsteuergebiet einzuordnen ist. Zusammen mit der zwingend vorgesehenen Erklärungspflicht nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bedeutet diese Regelung einen bürokratischen Aufwand für die Unternehmen sowie die Finanzverwaltungen, der völlig überschießend ist.

    Deutsche Stammhäuser haben hierdurch einen Nachteil gegenüber ihren Wettbewerbern aus dem Ausland. Um den Standort zu stärken, die Compliance zu erleichtern und insbesondere überbordende Nachweispflichten zu vermeiden, ist es überfällig, die Niedrigsteuergrenze auf mindestens 15 Prozent abzusenken beziehungsweise die übermäßige Besteuerung durch die Anrechnung auf die Gewerbesteuer zu neutralisieren.

    • Rechtssicherheit stärken durch Beschleunigung der Verfahren

    Steuerliche Betriebsprüfungen in Deutschland dauern nach wie vor zu lange. Sie verursachen für Unternehmen und Finanzverwaltung unnötigen Aufwand und binden erhebliche finanzielle und personelle Kapazitäten.

    Es ist dringend an der Zeit, auch in Deutschland den Weg frei zu machen für zeitnahe, das heißt schnellere und effiziente Betriebsprüfungen. Hierzu gehört auch, die Digitalisierung und den Einsatz innovativer Instrumente und Programme aufseiten der Finanzverwaltung zügig voranzutreiben.

    • Innovationsstandort im Bereich Forschung und Entwicklung gezielt fördern

    Die Fortführung von Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) muss in der Krise gestärkt werden. Die Automobilindustrie in Deutschland ist in diesem Bereich gut aufgestellt: Mit 37 Prozent der FuE-Investitionen (2019) der gesamten deutschen Wirtschaft (ohne Staat und Hochschulen) werden in der Automobilindustrie annähernd so hohe Ausgaben für FuE getätigt wie in den Branchen Elektronik, Maschinenbau, Pharma und Chemie zusammen.

    FuE-Aufwendungen von heute führen zu den Innovationen von morgen. Es muss gewährleistet sein, dass Deutschland hier nicht zurückfällt.

    • Abschreibungsbedingungen verbessern

    Die Abschreibungsbedingungen sind ein wesentlicher Hebel, um in Krisensituationen Investitionen zu stimulieren, die Nachfrage zu stärken und somit letztlich die Wirtschaft insgesamt wieder in Schwung zu bringen. Die Befristung der degressiven AfA muss ausgesetzt und die Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in klimaschützende Technologien und Verfahren müssen ausgeweitet werden.

    • Verlustverrechnung durch weitere Flexibilisierung verbessern

    Der Gesetzgeber hat schnell gehandelt und die Verlustverrechnung in der Krise verbessert. Die ergriffenen Maßnahmen reichen jedoch nicht aus, um auch den industriellen Mittelstand bei der Bewältigung der Krisenfolgen zu entlasten. Insbesondere der Rücktragszeitraum sowie die Höhe der zu verrechnenden Verluste müssen weiter ausgebaut werden.

    • Anrechenbarkeit von Quellensteuern verbessern

    Als Konsequenz der aktuellen wirtschaftlichen Krise gehen die Gewinne teils drastisch zurück und das ohnehin schon bestehende Problem des Anrechnungsüberhangs wird dramatisch verschärft. Es ist daher unabdingbar, die Regelung zur Anrechenbarkeit ausländischer Quellensteuern (§ 34c EStG) anzupassen und eine Vortragsmöglichkeit vorzusehen.

    • Steuerrecht an Niedrigzinspolitik anpassen

    Die Dauerniedrigzinsphase hält weiter an. Für die Unternehmen ergeben sich dadurch erhebliche Effekte im Hinblick auf die Verzinsung von staatlichen Steueransprüchen und die Abzinsung von Pensionsrückstellungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge. Es ist überfällig, in Ergänzung zur bereits ermöglichten zinsfreien Stundung von Steuerzahlungen auch den gesetzlichen Zinssatz nach §§ 233a, 238 AO an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.

    Eine Absenkung des Rechnungszinses (§ 6a EStG) wäre zudem eine gute Maßnahme, das Eigenkapital zu stärken.

    Ansprechpartnerin

    Dr. Karoline Kampermann

    Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik und Steuern

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