
Gastbeitrag von Andreas Rade und Kai Lobo
Strommarkt der Zukunft: Kraftwerke, E-Autos und Wärmepumpen für Energiesicherheit
Klimaneutrale Energie muss bezahlbar werden, und die Versorgung muss sicher bleiben. Das mahnen Andreas Rade (VDA) und Kai Lobo (VKU) für die Koalitionsverhandlungen bei Union und SPD an. Der Rahmen für den Strommarkt der Zukunft müsse jetzt gesetzt werden.
Klimaneutrale Energie muss bezahlbar werden, und die Versorgung muss sicher bleiben. Das mahnen Andreas Rade (VDA) und Kai Lobo (VKU) für die Koalitionsverhandlungen bei Union und SPD an. Der Rahmen für den Strommarkt der Zukunft müsse jetzt gesetzt werden.
Erschienen am 25. März 2025 bei Professional Briefing von Europe.Table
Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ist Taktgeber von Wohlstand und industrieller Wertschöpfung. Nach Kohle, Öl und Gas wird Strom zum neuen wichtigsten Kraftstoff der modernen Industriegesellschaft: für Mobilität, für Wärme, für die Digitalisierung und die industrielle Produktion, für wirtschaftlichen Erfolg und neues Wachstum. Im internationalen Vergleich sind die Strompreise hierzulande zu hoch; sie belasten Industrie und Verbraucher und erschweren die Transformation. Eine Trendwende ist unerlässlich: Strom muss klimafreundlich, bezahlbar und sicher sein.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist Deutschland viel schneller vorangekommen als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren geplant. Heute stammen deutlich mehr als 50 Prozent unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien. Der Ausbau der erneuerbaren Energien allein reicht jedoch nicht aus. Mit dem Ausstieg aus der Atom- und perspektivisch aus der Kohleverstromung entsteht eine Lücke, die mit Wind und Sonne allein nicht zu füllen ist. Für eine sichere Versorgung des Industriestandorts Deutschland sind neue Gaskraftwerke als Back-up für die erneuerbaren Energien gefragt.
Die Strompreise sind zu hoch.
Während die erneuerbaren Energien mittlerweile wettbewerbsfähig geworden sind und sich zunehmend im Markt behaupten können, stehen nun erhebliche Investitionen in neue Kraftwerke und damit in die Versorgungssicherheit bevor. Diese Investitionen müssen sich rechnen, dürfen Verbraucher und Industrie aber nicht noch weiter belasten. Wir brauchen ein verbessertes Angebot an Energie und eine Reduzierung der Belastungen des Strompreises durch Steuern und Abgaben.
Es geht um die Zukunft des Industriestandortes. In der nächsten Legislaturperiode sind daher kluge Konzepte für einen Strommarkt gefragt, der gleichzeitig die Versorgung sichert und die Kosten senkt. Ohne entschlossenes Handeln stünde die Zukunft des Standorts Deutschland auf dem Spiel. Beim Umbau der Energieversorgung sollten der nächsten Regierung drei Gedanken als Richtschnur dienen.
Erstens, es bedarf einer Kraftwerkstrategie.
Ohne den massiven und kurzfristigen Neubau von Gaskraftwerken drohen Deutschland gravierende Probleme bei der Versorgungssicherheit. Da sich der Neubau von Gaskraftwerken im aktuellen Strommarkt nicht rechnet, muss die neue Bundesregierung schnellstmöglich eine möglichst schlanke und effektive Kraftwerksstrategie auf den Weg bringen und zudem mit einer kurzfristigen Ausschreibung von rechnerisch mindestens 25 großen Gaskraftwerken beginnen. Dabei muss klar sein: Alle zusätzlichen Auflagen verteuern die Kraftwerksstrategie und sollten genau abgewogen oder gleich ganz vermieden werden.
Zweitens, es ist mittelfristig ein technologieoffener Kapazitätsmarkt erforderlich. Er muss gleich mehrere Funktionen erfüllen, um die Versorgung sicher und bezahlbar zu machen: Dieser Kapazitätsmarkt muss bereits bestehende Kraftwerke dafür honorieren, dass sie sich wie die Feuerwehr bereithalten und einspringen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Er muss zusätzlichen Neubau anreizen und ein bislang fast ungenutztes Potenzial heben, das flexibel einspringen kann, wenn es zu viel oder zu wenig Strom gibt: neben industriellen Verbrauchern gehören dazu E-Fahrzeuge, Wärmepumpen und Stromspeicher, eine Art Powerbank für das Stromsystem.
Drittens: „Alles hat seinen Preis“. Der Neubau von Kraftwerken ist zwingend notwendig, aber kostenintensiv. Für eine sichere und effiziente Stromversorgung sind die konkrete Ausgestaltung des Kapazitätsmarktes und wirksame Anreize für die Verbraucher entscheidend: Versorgungssicherheit kann, entweder aufseiten der Stromerzeugung über flexible zuschaltbare Kraftwerke, über Lastverschiebungen beim Stromverbrauch, oder über Speicher bereitgestellt werden. Für eine bezahlbare Stromversorgung sollte stets der kostengünstigste Mix von erzeugungs- und nachfrageseitigen Technologien sowie von Speichern zum Einsatz kommen. Nur wenn das gelingt, können zusätzliche Belastungen für die Verbraucher vermieden werden.
Der Standort Deutschland hat Nachteile bei den Kosten.
Betrachtet man die Erzeugungsseite entlang der gegenwärtigen geopolitischen Ausgangslage, hat Deutschland erhebliche Kostennachteile. In Deutschland wird der Einsatz von Gaskraftwerken aufgrund strukturell höherer Gas- und CO₂-Preise um ein Vielfaches teurer sein als etwa in den USA oder China. Bei der Stromerzeugung aus klimaneutralem Wasserstoff wird es sich in der Zukunft höchstwahrscheinlich ähnlich verhalten.
Dezentrale Ansätze sind nötig. Ein kosteneffizienter Kapazitätsmarkt, der zusätzliche Belastungen für Verbraucher begrenzt, ist daher ergänzend auf dezentrale und digitale Ansätze angewiesen. E-Fahrzeuge und Wärmepumpe bieten dabei das größte Potenzial, das über wirksame Anreizsysteme für die Verbraucher und neue Technologien wie das bidirektionale Laden gehoben werden muss: E-Fahrzeuge können über ein intelligentes Ladeverhalten verstärkt dann geladen werden, wenn erneuerbare Energien im Überfluss vorhanden und die Strompreise niedrig sind. In Zukunft geben sie bei Bedarf den Strom bidirektional ins Netz zurück. Wärmepumpen jeder Größe sind ähnlich flexibel: Sie können ihren Betrieb über Wärmespeicher in wind- und sonnenreiche Stunden verschieben.
Neue Erlösquellen E-Autos und Wärmepumpe.
Sowohl bei E-Fahrzeugen als auch bei Wärmepumpen handelt es sich um „Sowieso-Kapazitäten“, die besonders kosteneffizient zur Versorgungssicherheit beitragen können: Die Kaufentscheidungen erfolgen nicht primär, um sie dem Strom- bzw. Kapazitätsmarkt zur Verfügung zu stellen. Aber es wäre volkswirtschaftlich geradezu töricht, sie nicht für die Versorgungssicherheit zu nutzen. Mit den richtigen Rahmenbedingungen und den finanziellen Anreizen eines Kapazitätsmarktes kann eine Win-win-Situation entstehen: E-Fahrzeuge und Wärmepumpen gewinnen durch neue Erlösquellen zusätzlich an Attraktivität und die Verbraucher profitieren von einer insgesamt günstigeren und sichereren Stromversorgung.
Zentrale Ausschreibung und dezentrale Märkte. Bei der Ausgestaltung des Strommarktes der Zukunft sollte sich die nächste Regierung daher für Bezahlbarkeit und Sicherheit entscheiden: So viele dezentrale „Sowieso“-Flexibilitäten wie möglich, so viele neue Gaskraftwerke wie nötig. Der Schlüssel liegt in einem Kapazitätsmarkt, der beides zusammenbringt: Zentrale Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke und dezentrale Märkte für E-Fahrzeuge und Wärmepumpen, die digital vernetzt zur Bezahlbarkeit und Sicherheit der Stromversorgung beitragen.
Andreas Rade ist Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA) und Kai Lobo ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).
