VDA warnt vor Milliardenkosten und Produktionsstopps wegen unzureichender Patentrechtsreform
Produktionstopps mit Milliardenkosten drohen – Geltende Patentrechtslage ist klarer Standortnachteil – VDA fordert faire Patentverfahren und kritisiert Klagewelle
Die Automobilindustrie zählt zu den führenden Patentanmeldern in Deutschland und Europa. Für die Unternehmen ist ein starkes deutsches Patentrecht essenziell. Aktuell sind viele Unternehmen von Patentstreitigkeiten mit Unternehmen aus dem IKT-Bereich (Informations- und Kommunikationstechnologie) betroffen. Diese verlangen immense Lizenzgebühren für nachgeordnete Elemente von Bauteilen und drohen mit flächendeckenden Produktionsstopps. Dies betrifft vor allem Technologien für die Vernetzung von Fahrzeugen und für autonomes Fahren.
„Für die Automobilindustrie ist es unerlässlich, Zugang zu den für vernetzte Fahrzeuge erforderlichen Technologien zu erhalten. Dafür bezahlen wir gerne faire und angemessene Lizenzgebühren. Lizenzverhandlungen dürfen jedoch nicht mit drohenden Stilllegungen ganzer Werke belastet werden“, erklärt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).
Die Kläger nutzen eine unklare Rechtslage im patentrechtlichen Unterlassungsverfahren. Diese führt dazu, dass die Kläger die Auslieferung der gesamten Produktion – beispielsweise eines Automobils – untersagen können, und zwar auch dann, wenn das angeblich verletzte Patent nur eine untergeordnete Komponente von geringem Wert schützt. Die Gültigkeit des Patents wird in diesem Verfahren gar nicht vertieft geprüft. Das erleichtert es, unverhältnismäßig hohe Lizenzzahlungen durchzusetzen. Die aktuell debattierte Patentrechtsreform sollte deswegen eine wirkungsvolle Verhältnismäßigkeitsprüfung einführen, damit die Gerichte die wirtschaftlichen Auswirkungen weitreichender Produktionsstopps in ihrer Abwägung berücksichtigen.
„Die unklare Rechtslage ist ein gravierender Standortnachteil“, betont Hildegard Müller. „In vielen Verfahren gegen deutsche Fahrzeughersteller wird mit einem produktlinienübergreifenden Produktionsstopp gedroht, obwohl das streitige Patent nur eine untergeordnete Komponente betrifft. Diese Unausgewogenheit kann nicht weiter hingenommen werden.“ Gerade auch IKT-Unternehmen aus den USA und Fernost verfolgen die Patentrechtsreform aufmerksam, weil so harte Untersagungsverfügungen im europäischen und außereuropäischen Ausland nicht möglich sind. Daher begrüßt der VDA die Aufnahme des Vorbehalts der Verhältnismäßigkeit in § 139 Abs. 1 PatG des Regierungsentwurfs. Allerdings sollte der Vorbehalt so wie im Referentenentwurf ausgestaltet werden, damit eine wirkungsvolle Verhältnismäßigkeitsprüfung ermöglicht wird. Der Regierungsentwurf bleibt hinter dieser Zielsetzung zurück.
Ein reformiertes Unterlassungsverfahren mit Verhältnismäßigkeitsprüfung gefährdet die Patentportfolios deutscher Unternehmen nicht. Auch die deutsche Automobilindustrie will ihre Patente schützen. Aber die Innovationsfähigkeit von Industrieunternehmen profitiert von fairer Zusammenarbeit beim Zugang zu geschützten Technologien. Dafür braucht es ausgewogene Regeln.