EU-Auto-Action Plan

    EU-Auto-Action Plan: Erste richtige Impulse, doch notwendiger Reformbedarf und grundsätzlicher Politikwechsel bleibt aus

    Pressemitteilung

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    Berlin, 04. März 2025

    Kommission erkennt erstmals Realitäten an – Abkehr vom Prinzip der Überregulierung bleibt aus – Maßnahmen müssen Grundlage für weitere Anpassungen sein – Wichtige Zukunftsfelder werden adressiert – Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit bleiben weiter offene Flanken

    Der in Brüssel vorgestellte Action Plan der EU-Kommission zeigt erste überfällige Schritte in die richtige Richtung, lässt allerdings eine Gesamtstrategie und den notwendigen grundsätzlichen Politikwechsel vermissen. Zweifellos sind auf der Grundlage erster richtiger Impulse nun weitere Maßnahmen, Anpassungen und eine Verbesserung der generellen Rahmenbedingungen dringend erforderlich.

    „Die bisherigen Maßnahmen zeigen, dass die EU sich endlich den Realitäten schrittweise annähert und entsprechende Anpassungen in Aussicht stellt. Der Plan ist Ergebnis einer ersten Analyse der Realität, die auch die beteiligten Industrievertreter im Dialog sehr deutlich gemacht haben. Der Befund ist eindeutig: Es mangelt für die Erreichung der Flottengrenzwerte und den erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität offensichtlich an den Rahmenbedingungen – ob mit Blick auf Ladeinfrastruktur, Energiepreise oder auch Rohstoffversorgung. Zudem sind die Maßnahmen notwendige Konsequenz aus den geopolitischen Entwicklungen der vergangenen Monate. Fakt ist: Es geht nicht um ein Entgegenkommen, sondern um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Anerkennung, dass für einen erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität auch die passenden Rahmenbedingungen nötig sind. Jetzt ist ein pragmatischerer Ansatz notwendig, um die gesetzten Ziele zu erreichen“, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

    Abwendung von Strafzahlungen in dieser Phase richtig und fair

    „Die Welt hat sich in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht stark verändert: massive geopolitische Verschiebungen, das weltweite Erstarken des Protektionismus oder die anhaltende wirtschaftliche Schwäche nicht nur Deutschlands. In diesen Zeiten der Automobilindustrie Strafen aufzuerlegen, während diese Branche gleichzeitig gewaltige Summen in die Zukunft investieren muss und will, wäre irrational und kontraproduktiv. Der gesamte Prozess sowie die damit verbundenen notwendigen Rahmenbedingungen für die Kundenakzeptanz und den Hochlauf der E-Mobilität wurden politisch zunächst unterschätzt und dann massiv vernachlässigt. Dieser Zustand wurde jetzt hoffentlich ernsthaft erkannt und muss zu echten Kurskorrekturen führen“, so Müller.

    Phase-In wäre sinnvoller als Banking- und Borrowing-Mechanismus

    „Die derzeitigen Vorgaben belasten die Hersteller erheblich – vor allem mit Blick auf mögliche Strafzahlungen bei Nichteinhaltung der Grenzwerte. Der von der EU-Kommission nun geplante Ansatz eines Banking- und Borrowing-Mechanismus über einen Zeitraum von drei Jahren ist zwar hilfreich, greift aber zu kurz“, betont VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Dieser Mechanismus erlaubt es Herstellern, CO₂-Einsparungen aus einem Jahr auf andere Jahre zu übertragen oder vorwegzunehmen. Effektiver wäre jedoch eine schrittweise Einführung („Phase-In“) strengerer Grenzwerte, wie sie bereits bei früheren Zielanpassungen erfolgreich angewendet wurde.
    Zudem sollten die geplanten Anpassungen des Utility Factor von Plug-in-Hybriden (Gewichtungsfaktor, der den Anteil elektrischer Fahrten abbildet) ab 2025 ausgesetzt werden. „Wichtig ist jetzt, entsprechende Entlastungen schnell umzusetzen. Rat und Parlament müssen umgehend eingebunden werden und die Empfehlungen beschließen“, so Müller.

    Angesichts der globalen Herausforderungen, den nach wie vor unzureichenden Rahmenbedingungen und der aktuell schleppenden Nachfrage nach E-Autos gibt es aber weiteren Handlungs- und Gesprächsbedarf. Müller: „Es ist essenziell, dass die Überprüfungen der bestehenden Vorschriften für Pkw und Nutzfahrzeuge (Review-Prozesse) auf das Jahr 2025 vorgezogen werden. Nur auf dieser Grundlage kann gewährleistet werden, dass die notwendigen Anpassungen der Rahmenbedingungen erfolgen: insbesondere beim Ausbau der Lade- und H₂-Tankinfrastruktur, aber auch bei der Strompreisentwicklung, den Stromnetzen, der Rohstoffversorgung, der Halbleiterversorgung und der Batterieproduktion.“ Für Anhänger gilt jedoch, dass vor einem Review zunächst eine ausreichende Datengrundlage geschaffen werden muss.


    „Ohne ein Vorziehen der Reviews – also ohne eine ehrliche Bestandsaufnahme – und dem damit verbundenen höheren Engagement bei den Rahmenbedingungen gefährdet die EU das Erreichen ihrer eigenen Klimaziele. Deswegen ist das Vorziehen der Review-Prozesse essenziell“, fordert Müller. Der Ankündigung in der heutigen Pressekonferenz durch EU-Kommissar Tzitzikostas, den Prozess noch auf dieses Jahr vorzuziehen, müssen jetzt also konkrete Handlungen und Pläne folgen.

    Kommission fokussiert richtigerweise auch auf Nutzfahrzeuge

    Der Action Plan rückt richtigerweise die schweren Nutzfahrzeuge stärker in den Fokus. Sie sind Rückgrat der europäischen Wirtschaft, weshalb die besonderen Herausforderungen der Nutzfahrzeugindustrie stärker anerkannt werden müssen. Besonders groß sind hierbei die Nachholbedarfe beim Ausbau der Lade- und H₂-Tankinfrastruktur.

    „Die im Rahmen einer ‚European Clean Transport Corridor Initiative‘ in Aussicht gestellte Anerkennung der Lkw-Ladeinfrastruktur als Teil der kritischen Infrastruktur und beschleunigte Genehmigungsverfahren sind insofern erste wichtige Bausteine, um die notwendige Beschleunigung zu erreichen. Hier kommt es jetzt auf eine schnelle Umsetzung an“, hob Müller hervor. Positiv ist auch die geplante Überarbeitung der Eurovignetten-Richtlinie, um emissionsfreie Lkw weiter von der Maut zu befreien.

    Gleichzeitig gilt: Weitere wichtige Anpassungen in der CO₂-Flottenregulierung für schwere Nutzfahrzeuge sind erforderlich. So sollte die derzeitige Höhe drohender Strafzahlungen auf ein Niveau gesenkt werden, das mit dem für Pkw und Vans vergleichbar ist und gleichzeitig die aufzubringenden Kosten für die Transformation der Nutzfahrzeugindustrie berücksichtigt. Für alle Fahrzeuggruppen (insb. Anhänger und Omnibusse) ist außerdem eine Differenzierung möglicher Strafzahlungen notwendig, um den charakteristischen Unterschieden der Nutzfahrzeugbranche gerecht zu werden.

    Mittelstand nicht ausreichend einbezogen und berücksichtigt

    Nicht nur bei der Besetzung der Dialog-Formate, sondern auch in den Ergebnissen wurde der industrielle Mittelstand nicht ausreichend berücksichtigt. „Das ist ein Fehler, der im weiteren Verfahren korrigiert werden muss“, sagt Müller. „Die vielen mittelständischen Unternehmen sind nicht nur Rückgrat unseres Wohlstandes, vielmehr sind ihr Erfolg und ihre Zukunftsaussichten Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft der deutschen und europäischen Autoindustrie und damit auch für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze in zahlreichen Regionen.“ Für diese Unternehmen, die häufig nach der KMU-Definition zu groß und für den Kapitalmarkt zu klein sind, bedarf es dringend einer stärkeren politischen Einbindung.

    Technologieoffenheit mit konkreten Maßnahmen unterlegen

    Kommissionspräsidentin von der Leyen hat das Prinzip der Technologieoffenheit ausdrücklich betont – bisher allerdings ohne die daraus notwendigen Konsequenzen abzuleiten. „Wichtig ist, Technologieoffenheit auch tatsächlich umzusetzen. Dazu gehört auch eine stärkere Berücksichtigung der Rolle von Plug-in-Hybriden über 2035 hinaus. Zudem braucht es eine Berücksichtigung der durchschnittlichen CO₂-Minderungswirkung erneuerbarer Kraftstoffe. All diese Punkte werden im Plan bisher nicht berücksichtigt. Außerdem muss ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der es ermöglicht, Fahrzeuge mit sogenannten Carbon-Neutral-Fuels als CO₂-frei zu klassifizieren“, fordert Müller.

    Lob für Maßnahmen mit Blick auf Ladeinfrastruktur und Stromnetze

    Neben den bereits ausgeführten notwendigen Nachbesserungen sind die geplanten Maßnahmen mit Blick auf die Ladeinfrastruktur ausdrücklich zu begrüßen: „Dass die EU-Kommission beabsichtigt, die Ladeinfrastruktur und ihren Netzanschluss als überragendes öffentliches Interesse zu definieren, ist ein entscheidender Schritt nach vorn. Gleiches gilt für die Ankündigung, Ladeinfrastruktur bei Netzanschlüssen zu priorisieren und vorausschauende Investitionen in die dahinterliegende Netzinfrastruktur zu tätigen“, unterstützt Müller. Diese Maßnahmen müssen in den Mitgliedstaaten nun mit höchster Priorität umgesetzt werden. Gleiches gilt für intelligente und bidirektionale Ladefunktionen, die die Kommission richtigerweise stärken will.

    Zukunftsfelder wurden identifiziert und in den Fokus genommen

    Die EU hat ebenfalls richtigerweise erkannt, dass automatisiertes und autonomes Fahren, Halbleiter, Software, Künstliche Intelligenz, Batterien und Kreislaufwirtschaft zu den zentralen Zukunftsfeldern der Automobilindustrie gehören. Sie bieten enorme Potenziale für die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller – und in diesen Bereichen führend zu sein, ist entscheidend für die europäische Automobilindustrie, die mit hohen Investitionen in diesen Bereichen aktiv ist. „Es ist richtig, dass die Europäische Kommission schnell Investitionen in diesen Bereichen anreizen will. Die Bürokratie für Beantragung und Dokumentation müssen aber deutlich gesenkt werden – nur so kann gewährleistet werden, dass die Programme auch agil genutzt werden können“, so Müller.

    Die Förderung einer Software-Plattform für Software-Defined Vehicles auf Basis Open-Source, wie im Plan formuliert, ist ein weiterer zentraler Schritt zur Stärkung der Wirtschaft. Um jedoch das volle Potenzial dieser Programme auszuschöpfen, müssen bürokratische Hürden abgebaut werden – das gilt auch für die Batterieförderprogramme.

    „Entscheidend ist, dass hier nicht nur einzelne Unternehmen unterstützt werden, sondern die Rahmenbedingungen entlang der gesamten Batterie-Wertschöpfungskette entschlossen und nachhaltig verbessert werden. Dafür braucht es insbesondere wettbewerbsfähige Energiepreise, einschließlich der Ausweitung der Strompreiskompensation auf die Batterie- und Halbleiterproduktion, eine nachhaltige Förderung von Forschung und Innovation sowie Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel“, so Müller.

    Freier und fairer Handel statt Local Content-Vorgaben

    Der Plan der Kommission widmet sich mit Blick auf die vielen geopolitischen Herausforderungen auch dem Thema der Resilienz. „Fakt ist: Ein starker Binnenmarkt sowie freier, fairer und regelbasierter Handel sind essenziell für den Erfolg der europäischen Automobilindustrie. Die angestrebte Resilienz Europas darf allerdings nicht mit übermäßiger Regulierung und Local Content-Vorgaben belastet werden. Vielmehr sollte die EU-Kommission im eigenen Interesse auf offene Märkte und faire Handelsbedingungen setzen. Der Einsatz von Handelsschutzinstrumenten sollte nur in enger Abstimmung mit der betroffenen Industrie erfolgen, genauso wie die Überlegungen, ausländische Direktinvestitionen an Bedingungen zu knüpfen. Die Betrachtung der Ursprungsregeln in Handelsabkommen muss sich an ökonomischen Realitäten und an den Handelspartnern orientieren – sie können keine gute Industriepolitik und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen ersetzen“, mahnt Müller

    Sprecher

    Benedikt Herzog-Wolbeck

    Schwerpunkt Wirtschaftspolitik & Handel