VDA-Kommentierung Koalitionsvertrag

    VDA-Präsidentin zum Koalitionsvertrag

    Kommentierung

    Kommentierung

    Berlin, 08. April 2025

    VDA-Präsidentin Hildegard Müller:

    „Deutschland braucht so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung – auch, um in Europa angesichts vieler Herausforderungen wieder Führung zu übernehmen und internationale Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Dass die Koalitionäre sich nun auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben, ist deswegen begrüßenswert.

    Das Programm von Union und SPD setzt erste wichtige und richtige Akzente, bleibt in einigen Bereichen allerdings auch hinter den dringenden Notwendigkeiten zurück – insbesondere die Finanzierungsvorbehalte, die sich an vielen Stellen durch den Koalitionsvertrag ziehen, lassen viele Fragen offen.

    Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität müssen Leitmotiv der neuen deutschen Bundesregierung sein – das ist für die Zukunft der deutschen Schlüsselindustrie, der deutschen Automobilindustrie – von entscheidender Bedeutung. Nur dann gelingt es auch, das von der Koalition gesetzte Ziel, das Potenzialwachstum zu erhöhen, tatsächlich zu erreichen. Die Einrichtung eines Deutschlandfonds kann positiv dazu beitragen, den Zugang zu Kapital – insbesondere für Investitionen von Mittelstand und Scale-ups – zu verbessern.

    Das Bekenntnis zum Auto, die klare Leitlinie, dass Deutschland Industrienation und Mittelstandsland ist, ist die Grundlage für einen Politikwechsel, mit dem Berlin die zuletzt überwiegend belastende Politik für den deutschen Wohlstandsmotor hinter sich lassen kann.

    Dieses Bekenntnis wird durch wichtige Punkte im Detail untermauert. Positiv ist, dass bei der Förderung von E-Autos auf steuerliche Anreize gesetzt wird. Die Verlängerung der Kfz-Steuer-Befreiung für E-Autos bis 2035, die Anhebung des Bruttolistenpreisdeckels bei der Dienstwagensteuer und die Einführung einer Sonderabschreibung sind wichtige Impulse und unterstützen den Hochlauf der E-Mobilität. Gleiches gilt für die vorgesehene allgemeine Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß, die einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Ladestrompreise darstellt.

    Zentral ist dabei auch der stärkere Fokus auf den Ausbau der Lade- und H2-Tankinfrastruktur, sowohl für Pkw als auch für Nutzfahrzeuge; wenngleich auch hier noch Konkretisierungsbedarfe bestehen. Außerdem muss die Ankündigung von Programmen für Haushalte mit kleineren Einkommen schnellstens geklärt werden, sonst werden Kaufentscheidungen verschoben. Die Anhebung der Entfernungspauschale ist sachgerecht.

    Das klare Bekenntnis zur Technologieoffenheit muss noch mit konkreten Ableitungen unterlegt werden – insbesondere auch mit Blick auf anstehende Entscheidungen in Brüssel hinsichtlich der CO2-Flottenregulierung. Auch bei der angekündigten Förderung von Plug-In-Hybrid-Technologie bedarf es in dem Zusammenhang zügiger Konkretisierungen.

    Der Anspruch, Investitionen, Innovationen und Wettbewerb zu fördern, ist im Grundsatz richtig. Dabei verspricht die Koalition Steuern, Abgaben und Energiepreise zu senken, Arbeitsanreize zu verbessern, die Dekarbonisierung zu unterstützen, Bürokratie beispielsweise durch eine Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes zurückzubauen und eine aktive Handelspolitik zu betreiben. Teils wird dieser Anspruch mit konkreten Maßnahmen unterlegt, teils bleibt es allerdings auch bei reinen Absichtserklärungen. Fest steht, dass hier noch massiv nachgearbeitet werden muss.

    Begrüßenswert ist, dass die Koalition sich auf eine Senkung der Strompreise verständigt hat. Ebenso wie die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß und die dauerhafte Deckelung der Netzentgelte sind diese Punkte gerade auch für den industriellen Mittelstand ein wichtiges Signal. Mit der Absicht, einen kurzfristigen Zubau neuer Gaskraftwerke anzureizen und einen technologieoffenen und marktlichen Kapazitätsmechanismus einzuführen, sollen zudem wichtige strukturelle Weichenstellungen für eine sichere und wettbewerbsfähigere Stromversorgung vorgenommen werden. Es ist außerdem richtig, dass die Koalition realistischerweise anerkennt, dass Deutschland Energieimportland bleiben wird – und dringend entsprechende Energiepartnerschaften braucht.

    Die ambitionierten Ziele, um Bürokratieaufwand und -kosten zu reduzieren, sind folgerichtig. Jetzt kommt es auf die tatsächliche und zügige Umsetzung an. Gerade der industrielle Mittelstand kann die aktuellen Belastungen nicht mehr tragen.

    Auch das Versprechen, über eine zentrale Plattform effiziente und effektive digitale Verwaltung zu ermöglichen, ist ein wichtiger Schritt, um unser Land zu modernisieren und Planungsprozesse zu beschleunigen. Deutschland als Spitzenstandort für digitale Zukunftstechnologien zu etablieren, speziell im Bereich der KI, ist ein richtiges Ziel, das natürlich mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden muss. Richtig ist dabei, dass diese Bundesregierung den Aspekt der Datennutzung hervorhebt und sich für eine wirtschaftliche Balance zwischen Datenschutz und Datennutzung einsetzen will. Das neue Digitalministerium kann und muss diese Prozesse entsprechend schnellstmöglich etablieren.

    Der beschlossene Einstieg in eine Unternehmenssteuerreform ist zwar ein wichtiges Signal, bleibt mit dem Beginn erst ab 2028 sowie der unveränderten Beibehaltung des Solidaritätszuschlags aber hinter den dringenden Erfordernissen für eine unmittelbare Stärkung der steuerlichen Standortfaktoren zurück. Entscheidend ist zudem, dass die Entlastung ebenso bei den Personengesellschaften ankommt. Wesentlich ist auch, dass weitreichenden Steuererhöhungsplänen eine Absage erteilt wurde. Um Investitionen hierzulande zu unterstützen, ist der verabredete Investitions-Booster ein hilfreiches Instrument, das entsprechende Investitionsanreize setzen kann.

    Die zukünftige Koalition hat sich angesichts der geopolitischen Verschiebungen und Herausforderungen vorgenommen, sich für eine pragmatische und regelbasierte Handelspolitik, für die zügige Ratifizierung von EU-Abkommen sowie den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen einzusetzen. Dies sind gerade für eine Exportnation wie Deutschland entscheidende Hebel, bei denen es dringend einer Beschleunigung bedarf. Auch dass mit den USA ein Freihandelsabkommen geschlossen werden soll, ist ein richtiges Signal. Gleichzeitig müssen auch die Beziehungen zu China umsichtig ausgestaltet werden.

    Insgesamt setzt der Koalitionsvertrag richtige Impulse und Akzente, unterlässt allerdings in vielen Bereichen auch die notwendigen grundlegenden Strukturreformen. Wichtig ist jetzt, dass die beabsichtigten Vorhaben schnell und unkompliziert umgesetzt werden, dass die teils vagen Absichtserklärungen mit konkreten Maßnahmen – auch z.B. bei der Reform der Sozialsysteme – unterlegt werden und die kommende Bundesregierung damit die Grundlage setzt, eine wirtschaftliche Trendwende und eine entsprechende Aufbruchstimmung zu ermöglichen.“

    Kommunikation, Events & Marketing

    Simon Schütz

    Abteilungsleiter