EU-Binnenmarktstrategie

    VDA-Kommentierung zur EU-Binnenmarktstrategie

    Berlin, 20. Mai 2025

    VDA-Präsidentin Hildegard Müller:

    „Die Europäische Kommission hat mit ihrer Binnenmarktstrategie wichtige Ansatzpunkte formuliert, um die Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz zu stärken.

    Positiv hervorzuheben ist:

    •    Die Absicht der Kommission, sowohl zukünftige Gesetzesinitiativen zu vereinfachen als auch bestehende Regeln zu überarbeiten, ist definitiv richtig und muss schnellstmöglich umgesetzt werden. Die Kommission hätte allerdings diesen Anspruch nochmal mit dem konkreten Ziel untermauern müssen, das sie sich auch in ihrem Wettbewerbsfähigkeitskompass im Januar gegeben hat – langfristig die Verwaltungslasten für Unternehmen um 25 Prozent zu reduzieren. Daran muss sie sich messen lassen.

    •    Außerdem ist es richtig, den Zugang zu behördlichen Informationen und die Online-Einreichung von Dokumenten in anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern. Dies ist ein notwendiger Beitrag zur Digitalisierung und Vereinfachung grenzüberschreitender Geschäftsaktivitäten.

    •    Kleine und mittlere Unternehmen profitieren besonders davon, wenn sie weniger Zeit und Geld für bürokratische Vorschriften aufwenden müssen und einfacheren Zugang zu internationalen Märkten bekommen. Die geplanten Maßnahmen, wie z.B. die Begrenzung des Aufwands bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung, sind wichtige Schritte.

    •    Die Erleichterung der vorübergehenden grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern ist ein richtiger Ansatz. Das macht es leichter, Fachkräfte flexibel einzusetzen und fördert die Zusammenarbeit bei Dienstleistungen und Wartungsarbeiten über Ländergrenzen hinweg.

    Neben diesen positiven Signalen gibt es auch einige Bereiche, die entweder zu wenig berücksichtigt oder nicht entschlossen genug adressiert werden:

    •    Die Ausdehnung der Regulierungserleichterungen auf sogenannte „Small Mid Caps“ setzt die Obergrenze mit 749 Beschäftigten viel zu niedrig. Der Schritt bleibt deutlich hinter den Erfordernissen zurück, um den industriellen Mittelstand in Europa tatsächlich spürbar zu entlasten. Der VDA fordert deshalb eine klar definierte Midcap-Kategorie mit einer Obergrenze von 3.500 Mitarbeitenden. Sie muss in Förderprogrammen, regulatorischen Entlastungen und Berichtspflichten systematisch berücksichtigt werden.

    •    Ein wesentlicher Kritikpunkt bleibt die fehlende Berücksichtigung einer EU-weiten Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung. Die derzeitigen 27 nationalen Steuersysteme stellen eine erhebliche Hürde dar. Die Kommission hätte hier eine umfassende Überprüfung und Vereinfachung der steuerlichen Rahmenbedingungen in Angriff nehmen müssen. Eine stärkere Harmonisierung würde nicht nur Compliance-Kosten senken, sondern auch grenzüberschreitende Investitionen fördern und die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken.

    •    Eine konkrete Herausforderung für den Automobilsektor wird gar nicht adressiert: In Europa gibt es keine einheitlichen Regeln für die Zulassung von Fahrzeugen mit automatisierten Fahrfunktionen. Diese fehlende Abstimmung ist ein bekanntes Problem des europäischen Marktes. Um automatisierte Fahrzeuge in verschiedenen Ländern problemlos nutzen zu können, sind einheitliche Verfahren und gegenseitig anerkannte Genehmigungen dringend erforderlich.

    •    Die Binnenmarktstrategie sieht vor, dass in den Fällen, in denen „das derzeitige Normensystem nicht ausreichend ist“ (also Regeln, die in allen EU-Ländern gleich gelten), die Kommission stattdessen Spezifikationen vorlegen kann. Der Vorrang harmonisierter Normen gegenüber Spezifikationen sollte aus Sicht des VDA allerdings beibehalten werden. Das Europäische Normungssystem ist eine tragende Säule des wirtschaftlichen Erfolgs der EU, und dieses Systems darf nicht durch ein Parallelsystem ausgehöhlt werden. Die Industrie fordert klare Kriterien, wann Spezifikationen sinnvoll eingesetzt werden können."

    Sprecher

    Benedikt Herzog-Wolbeck

    Schwerpunkt Wirtschaftspolitik & Handel