Die Zulieferindustrie im Allgemeinen – bestehend aus Zulieferern, Entwicklungsdienstleistern, Start-ups sowie zahlreichen Anbietern von Dienstleistungen entlang der automobilen Lieferkette – und insbesondere der automobile Mittelstand sind eine wichtige Säule der deutschen Wirtschaft. Zulieferer zeichnen sich durch ihre Kreativität und Innovationskraft aus und sind für bis zu 75 Prozent der Wertschöpfung am Fahrzeug verantwortlich. Gerade die vielen mittelständischen Unternehmen sind oftmals Spezialisten auf ihrem Fachgebiet und tragen als wichtige Zulieferer für die Hersteller maßgeblich zur globalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie bei.
2022 investierte die Automobilindustrie in Deutschland 28,7 Mrd. Euro (+11 Prozent) in interne Forschung und Entwicklung. Damit übertraf sie die F&E-Ausgaben von Elektroindustrie, Maschinenbau und Chemie (ohne Pharma) zusammen.
Eine exklusiv für den VDA erstellte Auswertung zeigt, dass Zulieferer mit Stammsitz in Deutschland bis zum Jahr 2022 fast 10.000 Produktionsstandorte weltweit aufgebaut haben.
Die meisten befinden sich demnach in Europa (ca. 3.000 ohne Deutschland), gefolgt von Asien (ca. 2.700) und Nordamerika (ca. 2.600) (Quelle: Dun & Bradstreet). Noch immer werden neue Produktionskapazitäten im Ausland aufgebaut. Die Hauptmotive dafür sind inzwischen eine Stärkung der Resilienz der Wertschöpfungskette, aber auch eine zunehmende Erosion der Rahmenbedingungen für eine Produktion in Deutschland.
Die anhaltende Konjunkturschwäche in großen Teilen der Welt sowie schwierige Rahmenbedingungen für den industriellen Mittelstand in Deutschland und Europa treffen Automobilzulieferer hart: Insgesamt niedrige Stückzahlen, schwankende Abrufe der Kunden, hohe Energiepreise, überdurchschnittliche Kosten bei Arbeit und Steuern sowie inflationäre Effekte verstärken die transformationsbedingten Herausforderungen der Zulieferer. Diese müssen neben der Digitalisierung bzw. Automatisierung von Produkten und Produktion oftmals neue Geschäftsmodelle in alternativen Antriebstechnologien, parallel zum laufenden Geschäft mit Technologien für Verbrennungsmotoren, entwickeln.
Der Mittelstand braucht ein ambitioniertes Standortprogramm
Der VDA hat deshalb bereits 2022 mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem strukturierten Dialog sechs Handlungsfelder für eine Unterstützung des automobilen Mittelstands in der Transformation identifiziert:
1. Hohe Kosten am Standort Deutschland vor allem für Arbeit und Energie senken
2. Belastbaren Zugang zu Kapital für Investitionen in Transformationstechnologien sichern
3. Arbeits- und Fachkräftemangel bekämpfen
4. Förderprogramme mittelstandsfreundlich ausgestalten
5. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Investitionen beschleunigen und Bürokratie abbauen
6. Schaffung eines mindestens europaweiten Level Playing Fields im Bereich gesetzlicher Anforderungen und Regelungen zur Sicherstellung von ökologischer, sozialer und unternehmerischer Nachhaltigkeit
Im Jahr 2023 hat der VDA diese Handlungsfelder unter anderem in den Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft, in den Dialog- und Arbeitsprozess Mittelstand, Klimaschutz und Transformation des BMWK sowie in die Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft der Bundesregierung eingebracht und in zahlreichen Formaten gegenüber der Politik dringenden Handlungsbedarf für wettbewerbsfähige Standortbedingungen in Deutschland und Europa angemahnt. Darüber hinaus hat der VDA auch weitergehende konkrete Vorschläge, die im Mittelstandsforum des VDA erarbeitet wurden, vorgelegt.
Studie von VDA & Oliver Wyman: Zugang zu Finanzierungen für Mittelständler in der Transformation verbessern
Zu einer der größten Herausforderungen für Zulieferer in der Transformation und dabei besonders für mittelständisch geprägte Unternehmen, ist die Finanzierung von Investitionen geworden. Dies ist das Ergebnis von Umfragen, die der VDA regelmäßig unter seinen Mitgliedern durchführt. Der VDA hat deshalb in verschiedenen Arbeitsgruppen in Gesprächen mit Zulieferern und Banken Vorschläge erarbeitet, wie die Rahmenbedingungen für den Zugang zu Kapital so verbessert werden können, damit Investitionen in klimaneutrale Produkte und Produktion nachhaltig getätigt werden können. Die Ergebnisse wurden in einer Studie, die der VDA gemeinsam mit der Unternehmensberatung Oliver Wyman in 2023 erarbeitet hat, zusammengeführt und im März 2024 veröffentlicht. Eine wesentliche Erkenntnis daraus ist, dass Finanzierer die Zuliefererlandschaft deutlich detaillierter und differenzierter betrachten müssen. Dies muss durch transparente und langfristig angelegte wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen flankiert werden. Gleichzeitig können Unternehmen mit einer klaren strategischen Ausrichtung die Basis für eine Finanzierbarkeit der Transformation schaffen. Eine gezielte Diversifizierung der Finanzierung, eine aktive Steuerung der Zinsbelastung und die Verbesserung der ESG-Performance der Unternehmen können die Finanzierungschancen verbessern.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Automobilbranche: Ein Schlüssel zur globalen Wettbewerbsfähigkeit
Die derzeitigen Marktbedingungen sind enorm herausfordernd für alle Beteiligten der automobilen Lieferkette: Niedrige Absatzzahlen, neue Akteure auf dem Herstellermarkt, ein sich verschärfender globaler Wettbewerb, hohe Standortkosten in Deutschland und Europa, gestiegene Rohstoffpreise, der Fachkräftemangel sowie die umfangreichen Investitionen, die Hersteller und Zulieferer für die Transformation aufwenden, führen zu einem hohen Kostendruck entlang der gesamten automobilen Lieferkette.
Umso relevanter wird eine - im Rahmen der kartellrechtlichen Vorgaben - partnerschaftliche Zusammenarbeit von Herstellern, Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern, um letztlich weiterhin hinsichtlich Technologie und Qualität sowie auch bei den Kosten global wettbewerbsfähige und innovative Fahrzeuge anbieten zu können. Die Mitglieder des VDA haben deshalb 2022 ihr gemeinsames Verständnis nachhaltiger Kooperation in der Lieferkette unter dem Titel „Gemeinsam zum Erfolg: Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und ihren Partnern“ dokumentiert und den Austausch zu grundlegenden Herausforderungen der automobilen Lieferkette 2023 intensiviert.
Entwicklungsdienstleister nehmen eine wachsende Rolle in der Automobilindustrie ein
Neben Herstellern und Zulieferern nehmen Entwicklungsdienstleister eine weiterhin bedeutende Rolle bei der Entwicklung und Validierung von Komponenten und Systemen ein. Teilweise entwickeln sie komplette Fahrzeuge oder Derivate. Insbesondere vor dem Hintergrund kürzerer Entwicklungszeiten und Produktlebenszyklen bei gleichzeitig hoher Modellvielfalt übernehmen diese hoch spezialisierten Unternehmen immer größere Entwicklungsumfänge.
Damit auch kleinere Entwicklungsdienstleister sich an großen Aufträgen beteiligen können, hat der VDA im Arbeitskreis der Entwicklungsdienstleister einen Leitfaden für Angebotskooperationen erarbeitet, der eine erste rechtliche Orientierung für eine Zusammenarbeit aufzeigt.
VDA stärkt regionale Zusammenarbeit mit den Initiativen „Länderdialoge“ & „VDA vor Ort“
Mit den regelmäßigen VDA-Länderdialogen schafft der VDA ein Format, das den relevanten Ministerien der Bundesländer und ihren Automobilclustern Raum bietet, um über für die länderspezifischen Regulierungen und Fördermaßnahmen wichtige Themen zu diskutieren. Dieser Austausch dient dazu, die Kommunikation zwischen den Ländern und regionalen Automobilclustern zu fördern. Die Teilnehmer nutzen die Möglichkeit, sich über Best Practices auszutauschen und aktuelle Herausforderungen der Automobilindustrie zu erörtern.
Der VDA hat 2023 das neue Format „VDA vor Ort“ ins Leben gerufen, um interessierten Mitglieder, Zulieferer sowie regionale Verantwortliche aus Politik, Gewerkschaften, Clustern und Wissenschaft in den Automobilregionen Deutschlands zu einem Austausch über die spezifischen Gegebenheiten vor Ort einzuladen. Ziel ist es, den Dialog mit den örtlichen VDA-Mitgliedern zu intensivieren und ihre Ideen und Anregungen direkt dort aufzunehmen, wo sie aktiv sind. Dabei sollen individuelle Anliegen und Herausforderungen der Zulieferer diskutiert werden. Zusätzlich nutzt der VDA diese Gelegenheit, um sich seinen Ansprechpartnern persönlich vor Ort vorzustellen und einen umfassenden Austausch zu Fragen des automobilen Mittelstands zu ermöglichen.