Sicherheit

    Die Vision Zero ist das Ziel

    Nahezu 25 Prozent aller tödlich verletzten Verkehrsteilnehmer sind Fußgänger. Durch stetig verstärkte Sicherheitsmaßnahmen soll diese Zahl gesenkt werden – auf null.

    Nahezu 25 Prozent aller tödlich verletzten Verkehrsteilnehmer sind Fußgänger. Durch stetig verstärkte Sicherheitsmaßnahmen soll diese Zahl gesenkt werden – auf null.

    Straßenverkehr wird immer sicherer

    Die Europäische Kommission hat sich das Ziel gesetzt, die Anzahl der im Straßenverkehr getöteten Personen kontinuierlich zu verringern. Die Vision Zero ist das Ziel: keine schweren Verkehrsunfälle mehr. Die EU-Kommission unterstützt deshalb internationale und nationale Initiativen, die Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur sowie der Fahrzeugsicherheit und zur Schulung von Verkehrsteilnehmern vorsehen.

    In Europa sind nahezu ein Viertel aller tödlich verletzten Verkehrsteilnehmer Fußgänger. Umfangreiche Forschungen zum Fußgängerschutz wurden von der EU-Kommission aufgegriffen und bildeten die Grundlage für eine gesetzliche Regelung zum Fußgängerschutz im Rahmen der Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen. In der sogenannten Phase I wurden ab 2005 ein Kopfaufprall auf die Motorhaube, ein Anprall eines Beinprüfkörpers gegen den Stoßfänger und der Anprall eines Hüftprüfkörpers gegen den Stoßfänger gesetzlich vorgeschrieben. Dies führte zu veränderten Vorbaustrukturen und neuen Konstruktionen der Motorhauben mit stoßabsorbierenden Eigenschaften. Außerdem gibt es aktiv aufstellbare Motorhauben und bei einigen Fahrzeugen spezielle Fußgängerschutz-Airbags.

    Diese und andere Maßnahmen trugen in den letzten Jahren in Europa zu einer weiteren Reduzierung der Zahl der tödlich verletzten Fußgänger bei. Ähnlich positive Trends konnten auch in Japan, Australien und Kanada festgestellt werden, die vergleichbare gesetzliche Anforderungen definiert hatten. Um die Gesetzgebung zum Fußgängerschutz weltweit zu harmonisieren, wurde 2009 unter dem Dach der UNECE eine Globale Technische Regelung (GTR 9) geschaffen. Die GTR 9 untergliedert sich in eine Phase I und eine Phase II. Die Phase I orientiert sich an aktuellen europäischen Rechtsvorschriften und verlangt die Nutzung des sogenannten EEVC-Beinprüfkörpers zur Bewertung des Verletzungsrisikos von Oberschenkel, Unterschenkel und Knie. In der GTR-9-Phase II kommt ein neuer Beinprüfkörper (Flexible Pedestrian Legform Impactor, FlexPLI) zur Anwendung.

    Neue Anforderungen durch UN-Regelung 127

    Parallel wurde die neue UN-Regelung 127 in Anlehnung an die GTR-9-Phasen I und II geschaffen, um die gegenseitige Anerkennung von Typgenehmigungen zum Fußgängerschutz in den Staaten, die das Abkommen von 1958 gezeichnet haben, zu gewährleisten. Der Beinprüfkörper FlexPLI kommt auch beim European New Car Assessment Programme (Euro NCAP) zur Anwendung und hat in anderen Verbraucherschutzprogrammen weltweit den bisherigen Beinprüfkörper abgelöst. Gleichzeitig haben verschiedene Staaten ihre gesetzlichen Vorschriften zum Fußgängerschutz angepasst, und seit Ende 2017 muss der FlexPLI-Beinprüfkörper verpflichtend genutzt werden.

    Die nächste Generation des Beinprüfkörpers steht jedoch schon in den Startlöchern: Der Advanced Pedestrian Legform Impactor, kurz aPLI, wird 2023 in das dann aktualisierte Euro-NCAP-Rating eingehen. Gegenüber dem FlexPLI zeigt das aPLI weitere Verbesserungen bei der Biofidelität, das heißt, wie gut der Prüfkörper einen realen Menschen abbilden kann.

    Mit der General Safety Regulation (Verordnung (EU) 2019/2144) wurden durch die EU auch weitere Maßnahmen zum Fußgängerschutz beschlossen. Unter anderem wird hier ein auf die Windschutzscheibe vergrößerter Kopftestbereich beschrieben. Damit müssen ab 2024 alle neuen Fahrzeugtypen und ab 2026 dann sämtliche Fahrzeuge ein Schutzpotenzial bis auf die Windschutzscheibe nachweisen.

    Verletzungsrisikofunktionen und Pkw-Fußgängerunfälle

    Um den Fußgängerschutz weiter zu verbessern, ist neben der guten Kenntnis des aktuellen Unfallgeschehens die Erstellung und Bewertung von Verletzungsrisikofunktionen wichtig. Nur durch die objektive Bewertung der Risikofunktionen können sinnvolle Maßnahmen zur weiteren Optimierung von Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Die Fahrzeughersteller haben deshalb in enger Zusammenarbeit mit der Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden GmbH (VUFO) eine Studie zur „Methodik zur Erstellung von Verletzungsrisikofunktionen aus Realunfalldaten“ erstellt, die neben der Bewertung verschiedener Verfahren zur Erstellung dieser Funktionen auch aktualisierte Verletzungsrisikofunktionen für Erwachsene und ältere Menschen als Funktion der Kollisionsgeschwindigkeit definiert. Die Datenbasis für diese Auswertung bildet die Analyse der GIDAS-Datenbank (German In-Depth Accident Study) mit dem Fokus auf Fahrzeuge, die ab dem Jahr 2000 neu auf den Markt gekommen sind. Das statistische Modell der binären logistischen Regression bildet die Basis für die Verletzungsrisikofunktion bei Pkw-Fußgängerunfällen. Die Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw besitzt die größte Vorhersagekraft für die Verletzungsschwere des Fußgängers beim Pkw-Frontalanprall. Das Alter des Fußgängers ist ebenfalls ein wesentlicher Einflussparameter für die Verletzungsschwere von Fußgängern. Es umfasst mehrere direkte und indirekte physiologische Einflüsse wie beispielsweise die Körpergröße, die Knochendichte, die Muskulatur oder auch das Reaktionsvermögen. Allerdings ist der Verlauf des Alterseinflusses nicht genau bekannt und individuell sehr unterschiedlich.

    Zukünftig werden Maßnahmen zur Verbesserung der aktiven Sicherheit von Fahrzeugen einen relevanten Einfluss auf die Unfallstatistik haben. Notbremsassistenzsysteme mit Fußgänger- und/oder Radfahrererkennung werden in vielen Fällen die Kollisionsgeschwindigkeit verringern oder den Unfall ganz vermeiden. Damit einhergehend müssen auch Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Infrastruktur (zum Beispiel Vorrangschaltungen für Fußgänger an Kreuzungen oder Querungshilfen an breiten Straßenübergängen) konsequent umgesetzt werden, um ein gesamtheitliches Herangehen an die Verbesserung des Unfallgeschehens zu gewährleisten.

    Technische Vorschriften & Werkstoffe

    Andreas Perl

    Referent Sicherheit, passive Sicherheit und Versicherungsanforderungen

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