Mobilitätspolitik

    So wichtig sind Nutzfahrzeuge für den Güterverkehr

    Mehr als 73 Prozent der gesamten Verkehrsleistung, also auch Schiene und Bundeswasserstraße, wurden 2019 auf der Straße abgewickelt. Das Nutzfahrzeug ist und bleibt zentral im Güterverkehr. Umso wichtiger, dass die Rahmenbedingungen stimmen.

    Mehr als 73 Prozent der gesamten Verkehrsleistung, also auch Schiene und Bundeswasserstraße, wurden 2019 auf der Straße abgewickelt. Das Nutzfahrzeug ist und bleibt zentral im Güterverkehr. Umso wichtiger, dass die Rahmenbedingungen stimmen.

    Rückgrat des Güterverkehrs

    Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 502,7 Milliarden Tonnenkilometer Verkehrsleistung auf der Straße abgewickelt. Das waren mehr als 73 Prozent der gesamten Verkehrsleistung, die auf der Straße, der Schiene und der Bundeswasserstraße in Summe bewältigt wurde. Dies zeigt, dass das Rückgrat des Güterverkehrs nach wie vor das Nutzfahrzeug ist. 

    Mit diesem Anteil liegt Deutschland in etwa im europäischen Durchschnitt. Gegenüber dem Vorjahr ist die Verkehrsleistung 2019 auf der Straße um +0,4 Prozent gewachsen – und damit in etwa so wie die gesamte Güterverkehrsleistung der drei Landverkehrsträger. Die gesamte Güterverkehrsleistung hat 2019 – wegen der schwachen Konjunktur – nur um +0,5 Prozent zugenommen. Es ist davon auszugehen, dass die Güterverkehrsleistung aller Verkehrsträger im Jahr 2020 wegen der Coronakrise einen drastischen Einbruch verzeichnen wird.

    Mit der anschließenden Normalisierung der wirtschaftlichen Entwicklung wird aber auch der Güterverkehr wieder auf seinen Wachstumspfad zurückkehren. Die langfristige Verkehrsprognose, die das Bundesverkehrsministerium im Jahr 2014 erstellt hat, schätzt, dass der Straßengüterverkehr im Jahr 2030 ein Niveau von 607 Milliarden Tonnenkilometern erreichen wird. Das wäre ein Plus von über 20 Prozent gegenüber 2019. Damit wird auch der heutige Marktanteil des Lkw in etwa stabil bleiben.

    Lkw, Bahn und Binnenschiff: Ein Anwendungsgebiet für jedes Transportmittel

    Seine Bedeutung verdankt der Lkw zu einem großen Teil seiner Flexibilität. Nur der Lkw kann von der Laderampe bis zur Haustür jedes Ziel erreichen. Er ist auch ökonomisch und ökologisch beim Transport kleiner Sendungsgrößen und über kürzere Entfernungen im Vorteil. So erreicht die Eisenbahn ihre Wirtschaftlichkeitsschwelle im Güterverkehr in der Regel erst ab Nutzlasten von über 300 Tonnen. Ein kombinierter Verkehr von Straße und Schiene ist ebenfalls erst bei Entfernungen von weit über 300 Kilometern sinnvoll. Allerdings spielen sich fast 80 Prozent des Güteraufkommens im Straßenverkehr auf Strecken von 150 Kilometern ab. Dadurch ergibt sich eine Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern: Der Lkw ist für Transporte mit geringem Volumen und auf kurzen Wegen ideal. Eisenbahn und Binnenschiff sind bei Transporten mit hohem Volumen über große Distanzen eher wettbewerbsfähig. Ein gutes Beispiel dafür ist der Transport fabrikneuer Automobile. Die deutsche Automobilindustrie nutzt die Schiene im Hauptlauf für weit über 50 Prozent ihrer Transporte neu produzierter Fahrzeuge. Die Verkehrsträger stehen somit wegen ihrer systembedingten Vor- und Nachteile weit weniger in Konkurrenz zueinander, als meist angenommen wird. Vielmehr ergänzen sie sich gegenseitig.

    Differenzierte Betrachtung der EU-Mautrichtlinie

    Die EU-Kommission hat 2017 Vorschläge für die Änderung der Mautrichtlinie („Eurovignetten-Richtlinie“) vorgelegt. Darüber wurde bislang im Ministerrat aber noch keine Einigung erzielt. Die Kommissionsvorschläge sind differenziert zu bewerten. Unter anderem sehen sie vor, dass eine Lkw-Maut ab 2020 für alle Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen gelten soll. Damit müsste die Mautpflicht in Deutschland auch auf Lkw unter 7,5 Tonnen und Busse ausgeweitet werden. Da der Anteil internationaler Verkehre bei diesen Fahrzeugen im Gegensatz zu schweren Lkw deutlich geringer ist, ist ein Erfordernis zu europäischer Harmonisierung hier aber nicht zu erkennen. Besser wäre daher, eine Bemautung dieser Fahrzeuggruppen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips weiter in der Entscheidungsfreiheit der EU-Mitgliedstaaten zu belassen. Dies sollte auch für die Frage gelten, ob zeitbezogene Gebühren oder eine fahrleistungsabhängige Maut zur Anwendung kommen. 

    Ebenfalls kritisch zu sehen ist die von der EU-Kommission vorgeschlagene Anlastung von Staukosten in der Maut. Staukosten in Form von Zeitverlusten tragen die Nutzerinnen und Nutzer bereits heute selbst. Ein Einrechnen in die Maut würde somit zu einer ungerechtfertigten Doppelbelastung führen. Zudem sieht der Kommissionsvorschlag eine belastungsneutrale Spreizung der Mauthöhe nach dem CO₂-Ausstoß vor. Eine solche Spreizung der Maut nach CO₂-Ausstoß ist zu begrüßen. Sie kann zusätzliche Anreize zur Investition in entsprechend verbrauchs- und CO₂-effiziente und vor allem in emissionsfreie Fahrzeuge beziehungsweise Technologien setzen. Das hat sich bereits in der Vergangenheit bewährt: Die Mautdifferenzierung nach Euro-Stufen hat in den vergangenen Jahren die Modernisierung der Flotte mit schadstoffarmen Fahrzeugen vorangetrieben. 

    Daher sollte auf EU-Ebene jetzt möglichst rasch der Weg für eine CO₂-orientierte Lkw-Maut frei gemacht und diese in Deutschland eingeführt werden. Im Zuge des 2019 verabschiedeten nationalen Klimaschutzprogramms hat die Bundesregierung für die Weiterentwicklung der Lkw-Maut angekündigt, eine solche Differenzierung um einen CO₂-Aufschlag zu ergänzen. Die Anreizwirkungen für Investitionen in emissionsfreie beziehungsweise -arme Fahrzeuge könnten so noch verstärkt werden. In jedem Fall sollte alles darangesetzt werden, die CO₂-Maut – wie im Klimaschutzprogramm angekündigt – 2023 in Deutschland umzusetzen.

    Fachgebiet Verkehrspolitik

    Dr. Michael Niedenthal

    Fachgebietsleiter

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