Studie „Transformationspfade“

    Weckruf der Industrie für dringend notwendige Reformen

    Der Standort Deutschland steht aktuell mehr als je zuvor unter Druck. Die BDI-Studie „Transformationspfade“ hat die Standortbedingungen für die Industrie detailliert untersucht. Die Ergebnisse sind alarmierend: Rund 20 Prozent der deutschen industriellen Wertschöpfung sind akut bedroht.

    Der Standort Deutschland steht aktuell mehr als je zuvor unter Druck. Die BDI-Studie „Transformationspfade“ hat die Standortbedingungen für die Industrie detailliert untersucht. Die Ergebnisse sind alarmierend: Rund 20 Prozent der deutschen industriellen Wertschöpfung sind akut bedroht.

    10. September 2024

    Der Standort Deutschland fällt international massiv zurück. Rund ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung in Deutschland ist bedroht, eine schleichende Deindustrialisierung ist eine reale Gefahr und wird ohne entschlossenes Gegenlenken zur bitteren Realität. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie „Transformationspfade“, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlicht hat. Im Fokus der Erhebung steht eine detaillierte Analyse der Standortbedingungen für die gesamte Industrie und industrienahe Dienstleistungen. Dabei wurden auch konkrete Pfade erarbeitet, mit denen der Industriestandort wieder zukunftsfähig und wettbewerbsfähig aufgestellt werden kann. Die Analyse ist in den vergangenen neun Monaten in Zusammenarbeit mit mehr als 30 deutschen Unternehmen und Verbänden entstanden.

    Zu den zentralen Ergebnissen und Botschaften der Studie gehören:

    • Laut der Studie sind rund 20 Prozent der deutschen industriellen Wertschöpfung akut bedroht. Das Risiko einer De-Industrialisierung durch die stille Abwanderung und Aufgabe gerade vieler Mittelständler nimmt kontinuierlich zu.
    • Bei zwei Dritteln der wichtigsten Standortfaktoren liegt Deutschland aktuell hinter den internationalen Wettbewerbern. Wir werden in den Rankings durchgereicht – statt vorne zu stehen, sind wir immer häufiger Schlusslicht. Berlin und Brüssel müssen das Thema Wettbewerbsfähigkeit endlich entschlossen und mit aller Kraft angehen. Denn: Die im internationalen Vergleich wenig attraktiven Rahmenbedingungen des Industriestandorts Deutschland haben dazu geführt, dass sowohl öffentliche als auch private Investitionen hierzulande in den vergangenen 30 Jahren deutlich unter den Investitionsquoten in anderen Industrieländern lagen.
    • Um zukünftig international wettbewerbsfähig zu sein, sind private und öffentliche Mehrinvestitionen in Höhe von 1,4 Billionen Euro bis zum Jahr 2030 nötig. Laut der Studie müssen die Unternehmen und Haushalte zwei Drittel der notwendigen Investitionen tragen. Das verbleibende Drittel sind staatliche Investitionen.

    Insgesamt zeigt die Studie mit schonungsloser Deutlichkeit: Es ist vor allem die Summe struktureller Probleme, die den Wirtschaftsstandort ausbremst. Konjunkturprogramme alleine sind keine Lösung dafür. Wir müssen weg von der Symptombehandlung, hin zur Ursachenbekämpfung. Die Politik muss endlich vom Reden ins Handeln kommen.

    Die Zahlen zeigen deutlich, was wir schon lange kritisieren und immer wieder als größtes Hindernis für Wachstum und wirtschaftlichen Erfolg benannt haben: Langfristig hohe Energiepreise, der Arbeitskräftemangel und hohe Steuern belasten den Standort im internationalen Vergleich. Zusätzlich binden aufwändige bürokratische Berichtspflichten Kapital und andere Ressourcen, die für Investitionen und Innovationen fehlen. Fehlende Handelsabkommen bremsen die Rohstoffversorgung und die Handelsbeziehungen aus.

    Es braucht eine mutige industriepolitische Agenda

    Ohne Frage gilt: Der Umbau des deutschen und europäischen Industriestandorts ist eine der größten Transformationsanstrengungen seit der Nachkriegszeit. Die Studie hat 15 notwendige Handlungsfelder identifiziert, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, die industrielle Basis zu sichern und Wachstum zu beschleunigen. Das heißt auch: Unsere Industrien sind hoch innovativ, investieren große Summen und haben enormes Potenzial – wenn das Umfeld endlich auf die Herausforderungen reagiert, wenn Politik endlich Zielermöglichung und Wettbewerbsfähigkeit zur Priorität macht.

    Fakt ist, dass die Transformation unserer Wirtschaft nicht ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen gelingen kann. Die deutsche Autoindustrie investiert große Summen in die Transformation und in Zukunftstechnologien für mehr Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum. Doch unsere Innovationen und Investitionen können nur dann maximale Wirkung zeigen, wenn das Umfeld stimmt, wenn Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität Wachstumsbeschleuniger und nicht Wachstumshindernis sind. Es braucht insbesondere konkurrenzfähige Energiepreise, einen konsequenten Bürokratieabbau, Infrastrukturinvestitionen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sowie internationale Handelsabkommen. Auch der langfristige Zugang zu Rohstoffen und der Abschluss neuer internationaler Handelsabkommen muss zur politischen Priorität werden. Europa verhandelt derzeit über 50 Freihandels- und andere Abkommen weltweit, doch die Abschlüsse sind teilweise in weiter Ferne. Andere Regionen geben das Tempo vor, wir verlieren uns in Regulierungen und fehlender Entscheidungsfreudigkeit.

    Die Studie macht konkrete Vorschläge für Veränderung für mehr Wettbewerbsfähigkeit:

    Die Politik ist deshalb gefordert, jetzt aktiv zu werden. Andernfalls wird Deutschland weiter zurückfallen – Dominoeffekte wären die logische Folge. „Die Zeit und die Wettbewerber laufen uns davon“, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Und weiter: „Um Deutschland im internationalen Wettbewerb wieder nach vorn zu bringen und unsere Transformationsziele zu erreichen, braucht es jetzt den großen Wurf.“

    Was bedeuten die Ergebnisse der Studie für die deutsche Automobilindustrie?

    Die Studie weist neben den zentralen Handlungsfeldern klar auf den Finanzierungsbedarf hin. An dieser Stelle braucht sich die Automobilindustrie nicht zu verstecken. Von 2024 bis 2028 werden die Hersteller und Zulieferer der deutschen Automobilindustrie weltweit rund 280 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Der Fokus der Investitionen liegt auf der Transformation, insbesondere der Elektromobilität inklusive Batterietechnik, autonomes Fahren sowie Digitalisierung. Sie erhöhen ihre FuE-Ausgaben also weiter.

    Die Studie zeigt zudem eindrucksvoll, dass diese Transformation ohne den geforderten industriepolitischen Rahmen nicht gelingen wird – industriepolitische Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass ökologischer Fortschritt, ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und technologische Offenheit Hand in Hand gehen und der Standort somit international für die grüne und digitale Transformation fitgemacht wird und gleichzeitig Garant für Wachstum und Wohlstand bleibt. Um diese Ziele erreichen zu können, muss die deutsche und europäische Politik ihre industriepolitische Agenda Richtung eines „marktwirtschaftlichen Reformwillens“ neu ausrichten und den Unternehmen Entfaltungs- und Wachstumschancen eröffnen, anstatt die Prozesse kleinteilig zu regulieren.

    Porträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard MüllerPorträtfoto von VDA-Präsidentin Hildegard Müller
    Für die Automobilbranche liegen die notwendigen Handlungsfelder auf der Hand: Es müssen vor allem die Energiepreise international wettbewerbsfähig werden. Weitere zentrale Faktoren sind der Bürokratieabbau, die Gestaltung eines international wettbewerbsfähigen Steuer- und Abgabensystem, die Bekämpfung des Fachkräftemangels und ein geopolitischer Fokus, mit dem Abschluss internationaler Handels- und Rohstoffabkommen.
    Hildegard MüllerVDA-Präsidentin

    Was es jetzt braucht, um Deutschland im internationalen Wettbewerb wieder nach vorn zu bringen und die Transformationsziele zu erreichen? „Wir müssen alle Innovations- und Wachstumskräfte dieses Landes entfesseln und dringend mehr Tempo machen. Dann ist der Standort der schleichenden De-Industrialisierung nicht hilflos ausgeliefert“, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Eine große Chance für Deutschland sehen die Autorinnen und Autoren der Studie vor allem in grünen und digitalen Technologien – hier rechnen sie damit, dass bis 2030 ein Weltmarkt von jährlich mehr als 15 Billionen Euro entsteht. Deutschland habe vor allem in den Bereichen Klimatechnologien, industrielle Automatisierung und Gesundheit eine gute Ausgangssituation. Die Automobilindustrie wird ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

    Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)

    Andreas Rade

    Geschäftsführer Politik & Gesellschaft

    Verkehr & Transport│ Klima, Umwelt & Nachhaltigkeit - Fachgebiet Klima

    Götz Schneider

    Leiter der Abteilung

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